Kaum ist abends der letzte Gast gegangen, nimmt Danny Khezzar die blütenweiße „Toque“ ab, das Markenzeichen aller französischen Spitzenköche. Darunter kommen hüftlange Dreadlocks zum Vorschein, Teil seiner Identität als Rapper. Denn Khezzar, gerade mal 28 Jahre alt, führt ein Doppelleben: Er ist Spitzenkoch des Sternerestaurants Bayview im noblen Hotel President Wilson in Genfer Bestlage am Seeufer. Und nach Dienstschluss Teil des Rapper-Duos „Les Frères Bizzy“, dessen You-Tube-Hit „Sapo“ über eine Million Mal angeklickt wurde. „Ich komme von ganz unten“, singt er dort. „Und ich bin jederzeit bereit, wieder dorthin zurückzukehren.“ Eine Anspielung auf seine Kindheit im toughen Milieu einer Pariser Banlieue, der Rest ist blanke Koketterie. Denn um nichts in der Welt würde Khezzar seine gerade erblühte Karriere als Starkoch wieder aufgeben.
Seine Eltern hatten gespart, um ihren food-begeisterten Sohn an seinem 15. Geburtstag zum Brunch ins Pariser Hotel Ritz einzuladen. Zufällig war der damalige Küchenchef Michel Roth im Saal, der Junge aus der Banlieue sprach ihn an. „Es war ein beruflicher coup de foudre, Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich Khezzar. Roth lud ihn zu einer Küchentour und „versprach mir auf die Hand ein Praktikum nach dem Ende der Hotelfachschule“. Nach einem Zwischenspiel beim Pariser Drei-Sterne-Koch Pierre Gagnaire folgte Khezzar Roths Ruf nach Genf. Und kocht nun seit seinem 19. Lebensjahr an der Seite seines Mentors. Das hat sich gelohnt: Seit 2023 verantwortet er das Menü im „Bayview“, in dem die Gäste mindestens so begeistert auf ihre Teller blicken wie hinaus auf den See.
Es war ein beruflicher Coup de Foudre, Liebe auf den ersten Blick
In der Küche agiert Khezzar filigraner als in seinen Raps: Spargel serviert er als weiße Espuma, dazu ein überraschendes Olivenöl Sorbet mit Bergamotte-Aromen und „falschem Martini“ mit Hagebutte. Verblüffend seine Schnittlauchmousseline: Sie wird in einem Ei serviert, das der Service am Tisch aufschlägt, dazu löffelt man mit rohen Artischockenblättern Kaviar. Khezzars Kreationen beeindrucken durch ihren Ideenreichtum, aber auch durch bestes, klassisch französisches Handwerk. Damit imponierte er auch den Drei-Sterne-Chefs – von Hélène Darroze bis Paul Pairet – in derJury der französischen Ausgabe von „Master Chef“, wo er es 2023 bis ins Finale schaffte und so zum TV-Star wurde. Die Hechtnocken, die jetzt im Restaurant serviert werden, stehen für das Bekenntnis zur Region, die Fische schwammen noch vor Kurzem im Lac Léman. Garniert ist ihre Farce mit aus Kräuter-Tuiles geformten Tännchen, dazu passt Champagner-Kalamansi-Sauce mit Hechtrogen.
Khezzar, der gerade auch ein Bistro in Paris eröffnet, passt mit seinem Drive zur pulsierenden Genfer Szene: Die GourMetropole an der Grenze zwischen Schweiz und Frankreich beeindruckt mit einer der höchsten Sterne-pro-Einwohner-Dichte Europas. Dazu tragen nicht nur die vielen Luxushotels bei, die naturgemäß ein gourmetaffines Publikum an die Rhône ziehen. Sondern auch die Tatsache, dass die Stadt von Weinbergen und exzellenten Produzenten umgeben ist. Bestes Schweizer Kalbfleisch beziehen die Chefs von der Boucherie du Molard, der bekanntesten Metzgerei der Stadt, Geflügel von der Familie Chevenardaus dem nahen Jussy, Flusskrebse aus dem See.
Derzeit sind vor allem die Gemüsebauern im nahen Waadtland gefordert: Denn mit Yotam Ottolenghi hat der godfather der derzeit so angesagten Levante-Küche sein erstes Restaurant außerhalb Großbritanniens eröffnet: Sein puristisch gestyltes Ottolenghi im Hotel Mandarin Oriental ist konsequent ausgebucht. Nicht erstaunlich, denn der in Jerusalem aufgewachsene Quereinsteiger (er hat einen Master in Vergleichender Literaturwissenschaft) passt mit seiner ostmediterran inspirierten Gemüseküche perfekt in den Zeitgeist. Seine Kochbücher sind allesamt Bestseller, seine bislang acht Restaurants boomen.
Wie in seinem Londoner „Rovi“ sorgen auch hier der zentral installierte Bartresen sowie die offene Küche für beste Stimmung. Und wie dort kommt natürlich Gemüse auf den Teller, von der Wurzel bis zur Spitze zelebriert, vom gerösteten Lauch mit Yuzu-Creme und Rauchmandeln bis zu seinem berühmtem Sellerie-Döner. Aber auch Hauptgänge wie Lammschulter mit Rosen-Kardamom-Kruste, in einem speziell entwickelten Lehmofen über offenem Feuer gegrillt. Luxusprodukte sucht man vergeblich, die Zutaten sind bodenständig, aber durch die eindrucksvolle Gewürzvielfalt veredelt. Die Gerichte schöpfen aus dem gemeinsamen kulinarischen Erbe Israels und der palästinensischen Gebiete, von Libanon, Syrien, Irak, Jordanien, der Türkei und Armenien.
Auch Asiens Küchen sind im weltläufigen Genf, Sitz vieler internationaler Organisationen, sehr gefragt. Nicht erstaunlich also, dass hier das einzige chinesische Sternerestaurant der Schweiz zu Hause ist: Tsé Fung liegt im noblen Hotel La Réserve am Stadtrand, nahe dem Seeufer, im Sommer gibt es einen Bootsshuttle aus der Innenstadt. Küchenchef Frank Xu stammt aus Shenzhen, im Restaurant, dessen Dekor aus rotem Samt, schwarzlackiertem Holz und Seidenornamenten vom Shanghai der 1930er-Jahre inspiriert ist, gibt er die große chinesische Oper. Schon Xus Vater und Großvater waren Meister der kantonesischen Küche. Das Geheimnis des optimalen Gargrads für all die ultrafrisch verarbeiteten Meeresfrüchte hat er in den Genen, ebenso wie das für den federleichten Weizenmehlteig, der seine Dim Sum umhüllt.
Die riesige Speisekarte bietet eine kleine Armada der köstlichen Teigtaschen, vom beliebten Ha Kao, durch dessen nahezu transparenten Teig die Shrimpsfüllung scheint, bis zu mit zartem Kalbfleisch und Ingwer gefüllten Häppchen an Soja-Senf-Sauce. Woher kommt die kantonesische Faszination für Dim Sum? „Das Sonntagsmittagessen mit der Großfamilie ist ein Ritual, das jede chinesische Kindheit prägt“, sagt Xu. „Und dabei werden Unmengen von Dim Sum serviert. Es ist wahrscheinlich die erste feste Nahrung, die jedes kantonesische Kind zu sich nimmt.“ Der Star im Restaurantaber ist Xus Peking-Ente. Der Vogel wird am Tisch präsentiert, dann in der Küche zerlegt und in zwei Services aufgetragen: zuerst die knusprige Haut in Weizenmehl-Crêpes mit Hoisin-Sauce, dann die Brust, gehackt, im Wok sautiert und in Salatblätter gerollt. 220 Franken kostet der Spaß – kein Thema für die finanzstarke Genfer Klientel.
Im Sommer verlagert sich die Genfer Gourmandise nach draußen, im La Réserve auf die im Grünen gelegene Terrasse mit Seeblick. Doch auch im Herzen der Stadt kann man an lauen Abenden eine spektakuläre Aussicht genießen: Vom Rooftop-Restaurant Izumi auf dem Four Seasons Hotel des Bergues schaut man auf den See, den Genfer Hausberg Mont Salève und die Kathedrale. Das Publikum ist international, dazu passt die weltweit so beliebte japanisch-peruanische Nikkei-Küche von Chef Toshikazu Kato. Auf knusprigem Reis serviert er perfekt gewürztes Thunfisch-Tatar, zur hauchdünn tranchierten Makrele fein säuerlich angemachte Yuzu-Soja-Sauce. Oktopus-Carpacchio kommt mit Jalapeño-Vinaigrette auf den Tisch, die Shrimps-Tempura sind ultraknusprig gebacken. Zum hervor-ragenden Wagyu oder der im Ganzen servierten japanischen Dorade mit Ponzu-Aji-Amarillo-Sauce wählt man die Beilagen selbst – ein Renner sind die Soba-Nudeln mit Matcha.
Im Herzen aber bleibt Genf eine sehr französische Stadt – und damit eine Hochburg klassisch geprägter Haute Cuisine, die heute allerdings in zeitgemäßem Look daherkommt. Und nirgendwo schmeckt sie besser als am knallroten Tresen des Atelier Joël Robuchon. Das Palisanderholz und die rote Lackierung sind das Markenzeichen von Robuchons kulinarischem Vermächtnis rund um die Welt, das „Atelier“-Konzept, designt von Pierre-Yves Rochon, ist von Tokio über Miami bis Genf vertreten. Hier lebt die Küche des 2018 verstorbenen französischen Jahrhundertkochs weiter, hier bekommt man seine großen Klassiker wie „Le Caviar Impérial“ – Königskrabbe, Blumenkohlcreme und Kaviar unter Krustentiergelee – und natürlich sein legendäres Kartoffelpüree, das wie ein Streicheln am Gaumen ist. Der Meister, so die Saga, habe dafür ein Pfund Butter unter ein Kilo Kartoffeln gemischt. „Ganz so einfach ist es nicht“, schüttelt Olivier Jean den Kopf. „Es hängt stark von den örtlichen Gegebenheiten ab, von der Konsistenz der Butter und der Kartoffeln.“
Jean muss es wissen, er hat in Monaco, Paris und Taipeh für Robuchon gekocht. Seit drei Jahren steht er in Genf am Herd und prägt das beliebte Restaurant im Hotel The Woodward mehr und mehr mit seiner eigenen Stilistik. Das Menü beginnt mit leicht rauchiger Terrine aus Entenleber, Geflügel und Périgord-Trüffel und reicht bis zum in Zitrusfrüchten konfierten Wolfsbarsch mit Muscheln und Rübenkraut. Und während in der Küche das Lamm für den Hauptgang vorbereitet wird, präsentiert ein Mitarbeiter an der Theke ein großes Stück gereiften Gruyère so stolz, wie man es anderswo mit Kaviar macht: „24 Monate gereift!“ Mit weißen Handschuhen wird er großzügig über gedämpftes Käsesoufflée mit Artischockenpüree gerieben – eine sehr schweizerische Delikatesse. 2023 wurde „L’Atelier“, als einziges Haus in Genf, mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Bei der Preisverleihung war Jean so überwältigt, dass ihm die Knie wegsackten. Seit seinem siebten Lebensjahr wusste er, dass er Koch werden wollte: „Es ist in meiner DNA. Es ist für mich wie Zähneputzen oder Schlafen. Ohne könnte ich nicht leben.”
LA RÉSERVE. Ab 600 Franken, Route de Lausanne 301, Bellevue, T. +41.22.9595959, lareserve-geneve.com
MANDARIN ORIENTAL GENF. Ab 700 Franken, Quai Turrettini 1, Genf, T. +41.22.9090000, mandarinoriental.com/geneva
FOUR RSEASONS GENF. Ab 745 Franken, Quai des Bergues 33, Genf, T. +41.22.9087000, fourseasons.com/geneva
RESTAURANT BAYVIEW. Menü mittags ab 80, abends ab 175 Franken, Mi.–Sa. 12–13:30, Di.–Sa. 19–21:30uhr, Quai Wilson 47, Genf, T. +41.22.9066552, restaurantbayview.com
OTTOLENGHI. À la carte ab 38 Franken, 12–15 und 19–23 Uhr, Quai Turrettini 1, Genf, T. +41.22.9090000, mandarinoriental.com
L’ ATELIER JOëL ROBUCHON. Menü mittags ab 79, abends ab 269 Franken, Di.–Sa. 12–13:30 und 19–21:15 Uhr, Quai Wilson 37, Genf, T. +41.22.9013770, aubergeresorts.com/the-woodward/dine/latelier-robuchon/
RESTAURANT TSÉ FUNG. Menü mittags ab 75, abends ab 158 Franken, 12–14 und 19–22 Uhr, Route de Lausanne 301, Bellevue, T. +41.22.9595888, lareserve-geneve.com/en/restaurant/tse-fung/
RESTAURANT IZUMI. Menü mittags ab 68, abends ab 115 Franken, Mo.–Sa. 12–14,So. 12.30–14 und Mo.–So. 19–23:30 Uhr, Quai des Bergues 33, Genf, T. +41.22.9087525, fourseasons.com/geneva/dining/restaurants/izumi/
Kaum ist abends der letzte Gast gegangen, nimmt Danny Khezzar die blütenweiße „Toque“ ab, das Markenzeichen aller französischen Spitzenköche. Darunter kommen hüftlange Dreadlocks zum Vorschein, Teil seiner Identität als Rapper. Denn Khezzar, gerade mal 28 Jahre alt, führt ein Doppelleben: Er ist Spitzenkoch des Sternerestaurants Bayview im noblen Hotel President Wilson in Genfer Bestlage am Seeufer. Und nach Dienstschluss Teil des Rapper-Duos „Les Frères Bizzy“, dessen You-Tube-Hit „Sapo“ über eine Million Mal angeklickt wurde. „Ich komme von ganz unten“, singt er dort. „Und ich bin jederzeit bereit, wieder dorthin zurückzukehren.“ Eine Anspielung auf seine Kindheit im toughen Milieu einer Pariser Banlieue, der Rest ist blanke Koketterie. Denn um nichts in der Welt würde Khezzar seine gerade erblühte Karriere als Starkoch wieder aufgeben.
Seine Eltern hatten gespart, um ihren food-begeisterten Sohn an seinem 15. Geburtstag zum Brunch ins Pariser Hotel Ritz einzuladen. Zufällig war der damalige Küchenchef Michel Roth im Saal, der Junge aus der Banlieue sprach ihn an. „Es war ein beruflicher coup de foudre, Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich Khezzar. Roth lud ihn zu einer Küchentour und „versprach mir auf die Hand ein Praktikum nach dem Ende der Hotelfachschule“. Nach einem Zwischenspiel beim Pariser Drei-Sterne-Koch Pierre Gagnaire folgte Khezzar Roths Ruf nach Genf. Und kocht nun seit seinem 19. Lebensjahr an der Seite seines Mentors. Das hat sich gelohnt: Seit 2023 verantwortet er das Menü im „Bayview“, in dem die Gäste mindestens so begeistert auf ihre Teller blicken wie hinaus auf den See.
Es war ein beruflicher Coup de Foudre, Liebe auf den ersten Blick
In der Küche agiert Khezzar filigraner als in seinen Raps: Spargel serviert er als weiße Espuma, dazu ein überraschendes Olivenöl Sorbet mit Bergamotte-Aromen und „falschem Martini“ mit Hagebutte. Verblüffend seine Schnittlauchmousseline: Sie wird in einem Ei serviert, das der Service am Tisch aufschlägt, dazu löffelt man mit rohen Artischockenblättern Kaviar. Khezzars Kreationen beeindrucken durch ihren Ideenreichtum, aber auch durch bestes, klassisch französisches Handwerk. Damit imponierte er auch den Drei-Sterne-Chefs – von Hélène Darroze bis Paul Pairet – in derJury der französischen Ausgabe von „Master Chef“, wo er es 2023 bis ins Finale schaffte und so zum TV-Star wurde. Die Hechtnocken, die jetzt im Restaurant serviert werden, stehen für das Bekenntnis zur Region, die Fische schwammen noch vor Kurzem im Lac Léman. Garniert ist ihre Farce mit aus Kräuter-Tuiles geformten Tännchen, dazu passt Champagner-Kalamansi-Sauce mit Hechtrogen.
Khezzar, der gerade auch ein Bistro in Paris eröffnet, passt mit seinem Drive zur pulsierenden Genfer Szene: Die GourMetropole an der Grenze zwischen Schweiz und Frankreich beeindruckt mit einer der höchsten Sterne-pro-Einwohner-Dichte Europas. Dazu tragen nicht nur die vielen Luxushotels bei, die naturgemäß ein gourmetaffines Publikum an die Rhône ziehen. Sondern auch die Tatsache, dass die Stadt von Weinbergen und exzellenten Produzenten umgeben ist. Bestes Schweizer Kalbfleisch beziehen die Chefs von der Boucherie du Molard, der bekanntesten Metzgerei der Stadt, Geflügel von der Familie Chevenardaus dem nahen Jussy, Flusskrebse aus dem See.
Derzeit sind vor allem die Gemüsebauern im nahen Waadtland gefordert: Denn mit Yotam Ottolenghi hat der godfather der derzeit so angesagten Levante-Küche sein erstes Restaurant außerhalb Großbritanniens eröffnet: Sein puristisch gestyltes Ottolenghi im Hotel Mandarin Oriental ist konsequent ausgebucht. Nicht erstaunlich, denn der in Jerusalem aufgewachsene Quereinsteiger (er hat einen Master in Vergleichender Literaturwissenschaft) passt mit seiner ostmediterran inspirierten Gemüseküche perfekt in den Zeitgeist. Seine Kochbücher sind allesamt Bestseller, seine bislang acht Restaurants boomen.
Wie in seinem Londoner „Rovi“ sorgen auch hier der zentral installierte Bartresen sowie die offene Küche für beste Stimmung. Und wie dort kommt natürlich Gemüse auf den Teller, von der Wurzel bis zur Spitze zelebriert, vom gerösteten Lauch mit Yuzu-Creme und Rauchmandeln bis zu seinem berühmtem Sellerie-Döner. Aber auch Hauptgänge wie Lammschulter mit Rosen-Kardamom-Kruste, in einem speziell entwickelten Lehmofen über offenem Feuer gegrillt. Luxusprodukte sucht man vergeblich, die Zutaten sind bodenständig, aber durch die eindrucksvolle Gewürzvielfalt veredelt. Die Gerichte schöpfen aus dem gemeinsamen kulinarischen Erbe Israels und der palästinensischen Gebiete, von Libanon, Syrien, Irak, Jordanien, der Türkei und Armenien.
Auch Asiens Küchen sind im weltläufigen Genf, Sitz vieler internationaler Organisationen, sehr gefragt. Nicht erstaunlich also, dass hier das einzige chinesische Sternerestaurant der Schweiz zu Hause ist: Tsé Fung liegt im noblen Hotel La Réserve am Stadtrand, nahe dem Seeufer, im Sommer gibt es einen Bootsshuttle aus der Innenstadt. Küchenchef Frank Xu stammt aus Shenzhen, im Restaurant, dessen Dekor aus rotem Samt, schwarzlackiertem Holz und Seidenornamenten vom Shanghai der 1930er-Jahre inspiriert ist, gibt er die große chinesische Oper. Schon Xus Vater und Großvater waren Meister der kantonesischen Küche. Das Geheimnis des optimalen Gargrads für all die ultrafrisch verarbeiteten Meeresfrüchte hat er in den Genen, ebenso wie das für den federleichten Weizenmehlteig, der seine Dim Sum umhüllt.
Die riesige Speisekarte bietet eine kleine Armada der köstlichen Teigtaschen, vom beliebten Ha Kao, durch dessen nahezu transparenten Teig die Shrimpsfüllung scheint, bis zu mit zartem Kalbfleisch und Ingwer gefüllten Häppchen an Soja-Senf-Sauce. Woher kommt die kantonesische Faszination für Dim Sum? „Das Sonntagsmittagessen mit der Großfamilie ist ein Ritual, das jede chinesische Kindheit prägt“, sagt Xu. „Und dabei werden Unmengen von Dim Sum serviert. Es ist wahrscheinlich die erste feste Nahrung, die jedes kantonesische Kind zu sich nimmt.“ Der Star im Restaurantaber ist Xus Peking-Ente. Der Vogel wird am Tisch präsentiert, dann in der Küche zerlegt und in zwei Services aufgetragen: zuerst die knusprige Haut in Weizenmehl-Crêpes mit Hoisin-Sauce, dann die Brust, gehackt, im Wok sautiert und in Salatblätter gerollt. 220 Franken kostet der Spaß – kein Thema für die finanzstarke Genfer Klientel.
Im Sommer verlagert sich die Genfer Gourmandise nach draußen, im La Réserve auf die im Grünen gelegene Terrasse mit Seeblick. Doch auch im Herzen der Stadt kann man an lauen Abenden eine spektakuläre Aussicht genießen: Vom Rooftop-Restaurant Izumi auf dem Four Seasons Hotel des Bergues schaut man auf den See, den Genfer Hausberg Mont Salève und die Kathedrale. Das Publikum ist international, dazu passt die weltweit so beliebte japanisch-peruanische Nikkei-Küche von Chef Toshikazu Kato. Auf knusprigem Reis serviert er perfekt gewürztes Thunfisch-Tatar, zur hauchdünn tranchierten Makrele fein säuerlich angemachte Yuzu-Soja-Sauce. Oktopus-Carpacchio kommt mit Jalapeño-Vinaigrette auf den Tisch, die Shrimps-Tempura sind ultraknusprig gebacken. Zum hervor-ragenden Wagyu oder der im Ganzen servierten japanischen Dorade mit Ponzu-Aji-Amarillo-Sauce wählt man die Beilagen selbst – ein Renner sind die Soba-Nudeln mit Matcha.
Im Herzen aber bleibt Genf eine sehr französische Stadt – und damit eine Hochburg klassisch geprägter Haute Cuisine, die heute allerdings in zeitgemäßem Look daherkommt. Und nirgendwo schmeckt sie besser als am knallroten Tresen des Atelier Joël Robuchon. Das Palisanderholz und die rote Lackierung sind das Markenzeichen von Robuchons kulinarischem Vermächtnis rund um die Welt, das „Atelier“-Konzept, designt von Pierre-Yves Rochon, ist von Tokio über Miami bis Genf vertreten. Hier lebt die Küche des 2018 verstorbenen französischen Jahrhundertkochs weiter, hier bekommt man seine großen Klassiker wie „Le Caviar Impérial“ – Königskrabbe, Blumenkohlcreme und Kaviar unter Krustentiergelee – und natürlich sein legendäres Kartoffelpüree, das wie ein Streicheln am Gaumen ist. Der Meister, so die Saga, habe dafür ein Pfund Butter unter ein Kilo Kartoffeln gemischt. „Ganz so einfach ist es nicht“, schüttelt Olivier Jean den Kopf. „Es hängt stark von den örtlichen Gegebenheiten ab, von der Konsistenz der Butter und der Kartoffeln.“
Jean muss es wissen, er hat in Monaco, Paris und Taipeh für Robuchon gekocht. Seit drei Jahren steht er in Genf am Herd und prägt das beliebte Restaurant im Hotel The Woodward mehr und mehr mit seiner eigenen Stilistik. Das Menü beginnt mit leicht rauchiger Terrine aus Entenleber, Geflügel und Périgord-Trüffel und reicht bis zum in Zitrusfrüchten konfierten Wolfsbarsch mit Muscheln und Rübenkraut. Und während in der Küche das Lamm für den Hauptgang vorbereitet wird, präsentiert ein Mitarbeiter an der Theke ein großes Stück gereiften Gruyère so stolz, wie man es anderswo mit Kaviar macht: „24 Monate gereift!“ Mit weißen Handschuhen wird er großzügig über gedämpftes Käsesoufflée mit Artischockenpüree gerieben – eine sehr schweizerische Delikatesse. 2023 wurde „L’Atelier“, als einziges Haus in Genf, mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Bei der Preisverleihung war Jean so überwältigt, dass ihm die Knie wegsackten. Seit seinem siebten Lebensjahr wusste er, dass er Koch werden wollte: „Es ist in meiner DNA. Es ist für mich wie Zähneputzen oder Schlafen. Ohne könnte ich nicht leben.”
LA RÉSERVE. Ab 600 Franken, Route de Lausanne 301, Bellevue, T. +41.22.9595959, lareserve-geneve.com
MANDARIN ORIENTAL GENF. Ab 700 Franken, Quai Turrettini 1, Genf, T. +41.22.9090000, mandarinoriental.com/geneva
FOUR RSEASONS GENF. Ab 745 Franken, Quai des Bergues 33, Genf, T. +41.22.9087000, fourseasons.com/geneva
RESTAURANT BAYVIEW. Menü mittags ab 80, abends ab 175 Franken, Mi.–Sa. 12–13:30, Di.–Sa. 19–21:30uhr, Quai Wilson 47, Genf, T. +41.22.9066552, restaurantbayview.com
OTTOLENGHI. À la carte ab 38 Franken, 12–15 und 19–23 Uhr, Quai Turrettini 1, Genf, T. +41.22.9090000, mandarinoriental.com
L’ ATELIER JOëL ROBUCHON. Menü mittags ab 79, abends ab 269 Franken, Di.–Sa. 12–13:30 und 19–21:15 Uhr, Quai Wilson 37, Genf, T. +41.22.9013770, aubergeresorts.com/the-woodward/dine/latelier-robuchon/
RESTAURANT TSÉ FUNG. Menü mittags ab 75, abends ab 158 Franken, 12–14 und 19–22 Uhr, Route de Lausanne 301, Bellevue, T. +41.22.9595888, lareserve-geneve.com/en/restaurant/tse-fung/
RESTAURANT IZUMI. Menü mittags ab 68, abends ab 115 Franken, Mo.–Sa. 12–14,So. 12.30–14 und Mo.–So. 19–23:30 Uhr, Quai des Bergues 33, Genf, T. +41.22.9087525, fourseasons.com/geneva/dining/restaurants/izumi/
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