Auf der Fahrt zum „Azurmendi“ stellt sich eine gewisse Euphorie ein, Vorfreude auf die kulinarische Aventüre in einem ganz besonderen Drei-Sterne-Restaurant. Eine Vorfreude, die auch gespeist wird von dem Vergnügen am Vorabend, als wir im „Eneko Basque“, ein Hotelrestaurant in Bilbao, eine bescheidenere Vorstufe seiner Kochkunst erlebten. Hinzu gesellt sich gutes Gewissen. Weil es Chef Eneko Atxa und seinem Team dem Vernehmen nach nicht nur um Spitzenküche geht, sondern um den schonenden Umgang mit der Natur. Abgesehen von Michelins seit 13 Jahren verliehenen höchsten Lorbeeren, zeichnete World’s 50 Best das „Azurmendi“ als nachhaltigstes Restaurant der Welt aus. Und Michelin setzte 2021 noch einen weiteren Stern obendrauf, den grünen. Er steht für umweltbewusstes Engagement auf jeder Ebene des Betriebes. Von Bilbao dauert die Anreise etwa eine halbe Stunde.
Ein paar Kurven von der Autobahnausfahrt durch Wiesen und Weinreben bergauf, und wir stehen vor einem bioklimatisch korrekten Bauwerk aus Holz und Glas, umgarnt von hohem Buschwerk. Direkt angeschlossen sind die Gärtnerei sowie eine Samenbank. Hier werden, streng auf wissenschaftlichen Grundlagen, aus Samen alter Kultursorten Pflanzen gezüchtet, deren Blüten, Blätter und Stängel in der Küche Verwendung finden. Die Forschung dient zudem der Erhaltung von lokaler Biodiversität. Denn die Samen der erwachsenen Pflanzen werden auch an einheimische Bauern verteilt, um sie kommerziell anzubauen.
Grün draußen, grün drinnen: In der lichtdurchfluteten Empfangshalle wachsen großblättrige Gewächse bis zur Decke, fast wie in einem Gewächshaus – als Bühne für den ersten Akt des Menüs. Die Amuse-Gueules greifen die Stimmung auf. Zu einem Glas Txakoli, ein zart perlender Weißwein aus der Region, erhalten wir einen aus Reet geflochtenen Picknickkoffer, darin, auf Moosdeckchen angerichtet, vierfiligrane Pintxos. So heißen Tapas im Baskenland. Getrüffelte Meringue ist dabei und eine Brioche mit Creme von geräuchertem Fisch. Wir greifen mit den Fingern zu, inhalieren die Aromen und stellen uns unwillkürlich die Frage, ob Magen, Auge und Seele auf diesem Wow-Niveau bis zum Schluss durchhalten können. Denn laut Karte folgen zwei Dutzend Speisen aus Land und Meer plus Desserts. Um es vorwegzunehmen, man kann. Was womöglich daran liegt, dass zunächst ein vergnüglicher Spaziergang durchs Haus angesagt ist.
Die Wurzeln berühren, um zu träumen, zu reisen und zu entdecken, ein Land zu spüren und zu fliegen, zum gleichen Ausgangspunkt zurückzukehren. Azurmendi ist mein Zuhause.
Die Pintxos im Picknickkorb bilden den Auftakt zu einer einzigartigen Inszenierung, einem immersiven Theaterstück in sechs Akten. Der zweite findet in der Küche statt. „Kaixo“ (hallo) ruft uns im Chor die diensthabende Brigade entgegen, eine Reminiszenz an den Usus japanischer Gastronomie, die der Chef kennen- und liebengelernt hat. Zudem unterhält er ein Restaurant in Tokio. An vier Stationen erwarten uns Jungköche, die in den ersten Szenen des Schauspiels Hauptrollen spielen. Sie zapfen etwa aus einem Holzfässchen lindgrüne Infusion aus Weißwein und Algen in einen Glaskolben ab und krönen den Trunk mit türkisfarbener Espuma aus Spirulina. Der proteinreiche Schluck ist eine Ode an Eneko Atxas Heim zwischen baskischen Reben, gepaart mit seiner Liebe zum Meer.
Nächste Kulisse der Inszenierung ist die umglaste Veranda. Hier geht’s um „Flowers, Branches, Leaves and Nectars“. Aus Baumstümpfen recken sich auf langen Stielen künstliche Mandelblütenblätter, konstruiert aus recycelten Pflanzenresten wie Galium (Labkraut). Blühende Zweiglein stecken in Tontöpfen, ein „Unpublished Branch“ ist ein aromatischer Stick aus Brot und Basilikumknospen. Hingucker und Gaumenspielerei zugleich ist ein knallrotes Bonbon, platziert in eine geöffnete Rosenblüte. Wir sollen die Schoko-Kugel ganz in den Mund schieben und sie vorsichtig knacken lassen, denn der Inhalt besteht aus flüssigem Rosennektar.
Nach einer Handvoll kleinteiliger Kreationen – darunter einfächerartig-transparenter Cracker aus Blütenpulver, heruntergespült mit Morgentau von Hibiskus – werden wir zum zehngängigen Hauptakt ins Restaurant gerufen. Ein Gedicht ist das „Truffled Egg“, eines von Atxas Signature Dishes. Dafür wird ein heißes Trüffel-Consommé in ein rohes Eigelb injiziert, sodass es von innen her gart. Blanchierte Austern aus Marennes an der französischen Atlantikküste schließen sich an, serviert unter sonnengelber Granita von Algen. Im nächsten Gang leuchtet es meeresblau aus gläserner Schale. Mit dieser Speise zaubert Atxa den Atlantik auf den Tisch. Im Schaum verstecken sich Rogen von Seeigeln. Die orangefarbene Delikatesse läuft unter Kennern Kaviar vom Stör gerade den Rang ab.
Die letzten drei Gänge des Hauptmenüs widmen sich der heimischen Tierwelt. Iberico-Schwein und Wachtel. Das Schwein kommt in zwei Versionen: zum einen als mit Fleischsaft maskiertes slow-cooked Pulled Pork in einer glasierten Castañeta, zum anderen als Füllung einer Ravioli, aufgegossen mit Kaffeebutter. Der Vogel, im Baskenland ein traditioneller Bauernschmaus, kommt dann in einem mit Zartbitterschokolade sämig gerührten Fond, den Atxa mit gehobeltem Trüffel aufwertet. Das Finale: Mit den drei Desserts demonstriert die Patisserie, was man an süßlichen Aromen aus Blumen, Früchten, Samen und Nüssen herausholen und mit knusprigen, cremigen und knackigen Texturen veredeln kann. Unser Favorit: Coffee Brownie, Toffee und Eis aus Schafsmilch. Vier Stunden sind vergangen, rundum glücklich verholen wir uns zum Espresso in den Salon. Und man ahnt, da kommt noch was. Tatsächlich: eine hölzerne Lade, gefüllt mit Schoko-Pralinen und Fruchtgelees. Zu verführerisch, um abzuwinken. Zwei, drei Teilchen passen noch. Unter lustvollem Stöhnen, versteht sich.
Menü um 315 Euro, Di.–Sa. 13–14:30, Fr. +Sa.auch 20–21:15 Uhr, Barrio Legina, s/n, Larrabetzu, Biskaya, T. +34.944.558359, azurmendi.restaurant
Auf der Fahrt zum „Azurmendi“ stellt sich eine gewisse Euphorie ein, Vorfreude auf die kulinarische Aventüre in einem ganz besonderen Drei-Sterne-Restaurant. Eine Vorfreude, die auch gespeist wird von dem Vergnügen am Vorabend, als wir im „Eneko Basque“, ein Hotelrestaurant in Bilbao, eine bescheidenere Vorstufe seiner Kochkunst erlebten. Hinzu gesellt sich gutes Gewissen. Weil es Chef Eneko Atxa und seinem Team dem Vernehmen nach nicht nur um Spitzenküche geht, sondern um den schonenden Umgang mit der Natur. Abgesehen von Michelins seit 13 Jahren verliehenen höchsten Lorbeeren, zeichnete World’s 50 Best das „Azurmendi“ als nachhaltigstes Restaurant der Welt aus. Und Michelin setzte 2021 noch einen weiteren Stern obendrauf, den grünen. Er steht für umweltbewusstes Engagement auf jeder Ebene des Betriebes. Von Bilbao dauert die Anreise etwa eine halbe Stunde.
Ein paar Kurven von der Autobahnausfahrt durch Wiesen und Weinreben bergauf, und wir stehen vor einem bioklimatisch korrekten Bauwerk aus Holz und Glas, umgarnt von hohem Buschwerk. Direkt angeschlossen sind die Gärtnerei sowie eine Samenbank. Hier werden, streng auf wissenschaftlichen Grundlagen, aus Samen alter Kultursorten Pflanzen gezüchtet, deren Blüten, Blätter und Stängel in der Küche Verwendung finden. Die Forschung dient zudem der Erhaltung von lokaler Biodiversität. Denn die Samen der erwachsenen Pflanzen werden auch an einheimische Bauern verteilt, um sie kommerziell anzubauen.
Grün draußen, grün drinnen: In der lichtdurchfluteten Empfangshalle wachsen großblättrige Gewächse bis zur Decke, fast wie in einem Gewächshaus – als Bühne für den ersten Akt des Menüs. Die Amuse-Gueules greifen die Stimmung auf. Zu einem Glas Txakoli, ein zart perlender Weißwein aus der Region, erhalten wir einen aus Reet geflochtenen Picknickkoffer, darin, auf Moosdeckchen angerichtet, vierfiligrane Pintxos. So heißen Tapas im Baskenland. Getrüffelte Meringue ist dabei und eine Brioche mit Creme von geräuchertem Fisch. Wir greifen mit den Fingern zu, inhalieren die Aromen und stellen uns unwillkürlich die Frage, ob Magen, Auge und Seele auf diesem Wow-Niveau bis zum Schluss durchhalten können. Denn laut Karte folgen zwei Dutzend Speisen aus Land und Meer plus Desserts. Um es vorwegzunehmen, man kann. Was womöglich daran liegt, dass zunächst ein vergnüglicher Spaziergang durchs Haus angesagt ist.
Die Wurzeln berühren, um zu träumen, zu reisen und zu entdecken, ein Land zu spüren und zu fliegen, zum gleichen Ausgangspunkt zurückzukehren. Azurmendi ist mein Zuhause.
Die Pintxos im Picknickkorb bilden den Auftakt zu einer einzigartigen Inszenierung, einem immersiven Theaterstück in sechs Akten. Der zweite findet in der Küche statt. „Kaixo“ (hallo) ruft uns im Chor die diensthabende Brigade entgegen, eine Reminiszenz an den Usus japanischer Gastronomie, die der Chef kennen- und liebengelernt hat. Zudem unterhält er ein Restaurant in Tokio. An vier Stationen erwarten uns Jungköche, die in den ersten Szenen des Schauspiels Hauptrollen spielen. Sie zapfen etwa aus einem Holzfässchen lindgrüne Infusion aus Weißwein und Algen in einen Glaskolben ab und krönen den Trunk mit türkisfarbener Espuma aus Spirulina. Der proteinreiche Schluck ist eine Ode an Eneko Atxas Heim zwischen baskischen Reben, gepaart mit seiner Liebe zum Meer.
Nächste Kulisse der Inszenierung ist die umglaste Veranda. Hier geht’s um „Flowers, Branches, Leaves and Nectars“. Aus Baumstümpfen recken sich auf langen Stielen künstliche Mandelblütenblätter, konstruiert aus recycelten Pflanzenresten wie Galium (Labkraut). Blühende Zweiglein stecken in Tontöpfen, ein „Unpublished Branch“ ist ein aromatischer Stick aus Brot und Basilikumknospen. Hingucker und Gaumenspielerei zugleich ist ein knallrotes Bonbon, platziert in eine geöffnete Rosenblüte. Wir sollen die Schoko-Kugel ganz in den Mund schieben und sie vorsichtig knacken lassen, denn der Inhalt besteht aus flüssigem Rosennektar.
Nach einer Handvoll kleinteiliger Kreationen – darunter einfächerartig-transparenter Cracker aus Blütenpulver, heruntergespült mit Morgentau von Hibiskus – werden wir zum zehngängigen Hauptakt ins Restaurant gerufen. Ein Gedicht ist das „Truffled Egg“, eines von Atxas Signature Dishes. Dafür wird ein heißes Trüffel-Consommé in ein rohes Eigelb injiziert, sodass es von innen her gart. Blanchierte Austern aus Marennes an der französischen Atlantikküste schließen sich an, serviert unter sonnengelber Granita von Algen. Im nächsten Gang leuchtet es meeresblau aus gläserner Schale. Mit dieser Speise zaubert Atxa den Atlantik auf den Tisch. Im Schaum verstecken sich Rogen von Seeigeln. Die orangefarbene Delikatesse läuft unter Kennern Kaviar vom Stör gerade den Rang ab.
Die letzten drei Gänge des Hauptmenüs widmen sich der heimischen Tierwelt. Iberico-Schwein und Wachtel. Das Schwein kommt in zwei Versionen: zum einen als mit Fleischsaft maskiertes slow-cooked Pulled Pork in einer glasierten Castañeta, zum anderen als Füllung einer Ravioli, aufgegossen mit Kaffeebutter. Der Vogel, im Baskenland ein traditioneller Bauernschmaus, kommt dann in einem mit Zartbitterschokolade sämig gerührten Fond, den Atxa mit gehobeltem Trüffel aufwertet. Das Finale: Mit den drei Desserts demonstriert die Patisserie, was man an süßlichen Aromen aus Blumen, Früchten, Samen und Nüssen herausholen und mit knusprigen, cremigen und knackigen Texturen veredeln kann. Unser Favorit: Coffee Brownie, Toffee und Eis aus Schafsmilch. Vier Stunden sind vergangen, rundum glücklich verholen wir uns zum Espresso in den Salon. Und man ahnt, da kommt noch was. Tatsächlich: eine hölzerne Lade, gefüllt mit Schoko-Pralinen und Fruchtgelees. Zu verführerisch, um abzuwinken. Zwei, drei Teilchen passen noch. Unter lustvollem Stöhnen, versteht sich.
Menü um 315 Euro, Di.–Sa. 13–14:30, Fr. +Sa.auch 20–21:15 Uhr, Barrio Legina, s/n, Larrabetzu, Biskaya, T. +34.944.558359, azurmendi.restaurant
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