2 Köche in St. Tropez auf Steg mit Hummer und fisch
© Richard Haughton/Baur au Lac
2 Köche in St. Tropez auf Steg mit Hummer und fisch
© Richard Haughton/Baur au Lac
Text Patricia Bröhm

Es gibt sie noch, die Momente, wo St. Tropez ganz bei sich ist. Wo, zumindest für einen Wimpernschlag, die Seele des kleinen provenzalischen Fischerdorfs aufblitzt. Zum Beispiel jetzt, morgens um acht Uhr. Wenn das Licht, wie schon Brigitte Bardot wusste, hier weicher ist als anderswo, herrscht auf dem täglichen Markt an der Place aux Herbes noch die pure Idylle. Die Morgensonne lässt die Baby-Auberginen, die Walderdbeeren und Zitronen aus Menton genauso strahlen wie die Superyachten im nahen Hafen. Bäuerinnen aus dem Umland bieten alte Tomatensorten im Dutzend, in Rot, Grün und Gelb, dazu Weinbergpfirsiche, prall-reife Feigen, intensiv duftende Basilikumsträuße. Am Stand der Pêcheries tropéziennes sind die Fische dekorativ arrangiert, perfekt aufgereiht die Doraden Royale, zur Rosette gelegt die ultrafrischen Garnelen, im Licht der frühen Sonne schimmernd die Muscheln.

In diesem Moment bekommt man eine Ahnung davon, wie St. Tropez gewesen sein mag, bevor der Regisseur Roger Vadim die blutjunge Brigitte Bardot barfuß und für die Zeit ziemlich freizügig durch die Gassen tanzen ließ. Sein Film „Et Dieu… créa la femme“ katapultierte das Dorf im Sommer 1956 mit einem Schlag auf die Landkarte der globalen Popkultur. „St. Tropez ist eine Bühne“, hat Karl Lagerfeld einmal gesagt. „Und jeder, der dort ist, spielt eine Rolle.“ Tatsächlich ist kein anderer Ort an der Côte d’Azur so aufgeladen mit Illusion und Inszenierung. Der Mythos von St. Tropez lebt nicht nur von seinen berühmten Stränden, seinem Licht und der mediterranen Leichtigkeit – sondern vor allem von den Geschichten, Bildern und Persönlichkeiten. Im Gefolge von Coco Chanel, Françoise Sagan und vielen anderen kamen Filmteams, Fotografen, Intellektuelle und schließlich der internationale Jetset.

Zu den Traumvillen mit Blick aufs Mittelmeer, den Superyachten mit ihrem grellen Luxus, der allsommerlichen Prozession von Stars und Sternchen passt, dass sich St. Tropez mittlerweile auch einen respektablen Platz als Gourmetziel erarbeitet hat, inklusive eines echten Superstars: Arnaud Donckele. Wir treffen den Mann, der mit seinem Erfolg völlig allürenfrei umgeht, im Restaurant „La Vague d’Or“ an der Plage de la Bouillabaisse. Jeder der von alten Pinien beschatteten Tische schaut auf das, was man hier „La Grande Bleue“ nennt. Gut möglich übrigens, dass Jennifer Lopez oder Beyoncé am Nebentisch Platz nehmen. Für Donckele allerdings sind alle Gäste gleich. Selbst Bernard Arnault, Patron von LVMH, hat er mal 40 Minuten warten lassen, um den Service zu beenden.

 

St. Tropez ist eine Bühne. Und jeder, der dort ist, spielt eine Rolle.

Karl Lagerfeld

Donckeles Küche, vom Guide Michelin schlicht und einfach als„knockout food“ beschrieben, ist allein die Reise wert. Der bei Alain Ducasse und Michel Guérard gestählte Normanne erkochte 2013 mit 35Jahren hier den dritten Stern (seit 2022 trägt er die gleiche Auszeichnung auch im Pariser „Plénitude“, wo er das Winterhalbjahr verbringt). Auf seinen Tellern feiert er die Schätze des Meeres: Langustinen verbindet er mit der Frische korsischer Oro-Blanco-Grapefruit, Steinbutt gart er mit Zitronengras und Algen in Meerwasser. Eine Hommage an seinen Mentor Jean-Louis Nomicos ist Zitronen-Pasta, gefüllt mit Foie gras und schwarzem Trüffel, begleitet von violetter Artischocke in drei Texturen (roh, gekocht, als Tuile) und verfeinert mit luftiger Basilikumsauce. Unvergesslich auch das Carpaccio von der Meeräsche, ebenso hauch-dünn aufgeschnitten wie die Weinbergpfirsiche und Nektarinen, mit denen es zu einem bildschönen Tableau angerichtet ist. Legende aber sind, selbst im Kollegenkreis, Donckeles Saucen, die keine bloßen Begleiter, sondern mit ihrer Tiefe und Präzision, ihrem oft ätherischen Aromenspiel zentrales Element seiner Gerichte sind. Als „fast schon spirituell“ nannte sie der große Drei-Sterne-Kollege Pierre Gagnair.

Doch St. Tropez kann auch deutlich lässiger. Neu diese Saison ist das „Zuma“, die international erfolgreiche Restaurantmarke hat sich im ikonischen Hotel Byblos angesiedelt: Sushi, Sashimi und beste Cuts vom Robata-Grill werden unter freiem Himmel in den Gärten des Hauses serviert. Gute Adressen zum Sehen und Gesehen werden sind auch die„Beefbar“ im Hotel Lou Pinet und natürlich das Open-Air-Restaurant des Hotels White 1921 an der Place des Lices, wo Arnaud Donckele mit seinem Pâtissier Maxime Frédéric unter dem Dach von Louis Vuitton mit einem legereren Konzept einen Stern erkocht hat. Und zum Apéro, zum Sehen und Gesehenwerden? Natürlich die ewig umschwirrte Terrasse des „Café Sénéquier“.

 

Terrasse vom Hotel Cheval Blanc in Saint Tropez
© Oliver Fly/Baur au Lac
Koch steht am Tisch mit 2 Frauen die ihn anschauen
© Agence Webcom
Auf der Terrasse des Hotels Cheval Blanc möchte man dem Mythos von St. Tropez schon beim Lunch zuprosten (li.). Fine Dining im Colette, ansässig im Hotel Sezz.

Wer es lieber etwas intimer mag, muss bloß ein paar Schritte gehen und entdeckt das St. Tropez, das die Schriftstellerin Colette schon in den 1920er-Jahren inspirierte. Neben ihrer Villa La Treille Muscate, wo sie mit ihrem letzten Ehemann lebte, liegt das Hotel Sezz mit seinem nach der berühmten Nachbarin benannten Restaurant. Bei Philippe Colinet nimmt man unter Olivenbäumen am Pool Platz und taucht gleich in seine Welt provenzalischer Genüsse ein: Die kleinen Artischocken, dieman hier poivrade nennt, serviert er mit Parmesan und Rucola in Bagnacauda-Sauce, zur Felsenrotbarbe gibt es Aioli, Fenchel, Basilikum und eine dichte Jus, die Colinet aus den Fischkarkassen kocht. Und zum Dessert? Duftende Erdbeeren aus dem Var mit Basilikum und Baiser.

„Kilomètre-zéro“ – so nennt man in Frankreich die Küche, die den Produkten aus nächster Nähe huldigt. Nach dieser Maxime arbeitet auch Jimmy Coutel, der in dieser Saison im Restaurant „Belrose“ der gleichnamigen Villa in Gassin mit einem neuen Konzept als Hommage an die Provence startet. Auf der weitläufigen Terrasse, von der man den schönsten Blick weit und breit auf St. Tropez und das Mittelmeer hat, servierter als Vorspeise einen Teller, auf dem rohe und gegarte Gemüse mit Kräutern und essbaren Blüten zu einem wahren Kunstwerk arrangiert sind: „Eine Hommage an meinen Freund Sydney.“

Um Coutels Inspiration zu verstehen, begleiten wir ihn ins nahe Grimaud, in die paradiesischen Gärten von Sydney Biasotto. Der Quereinsteiger verbirgt seine Rasta-locken unter einer Wollmütze, auch Arnaud Donckele schwört auf ihn. Coutel läuft durch das üppige Grün von Biasottos ökologisch bewirtschafteter „Plantation de Seed“ und freut sich wie ein Kind über unzählige alte Tomatensorten, von der Green Zebra bis zur fast schwarzen Noire de Crimée. Er bewundert zarte Zucchiniblüten und die u-förmig gebogenen „courgettes violon“, für ihn „geschmacklich der Rolls-Royce unter den Zucchini“. Ersteckt sich eine Erdbeere in den Mund und wird einen Moment ganz ruhig, um feinsten Geschmacksnuancen nachzuhängen; er begeistert sich für Basilikumsorten, deren Blätter mal ein Aroma von Ananas, mal von Lakritz haben: „Bei jedem Besuch hier entstehen neue Ideen – für mich die reinste Goldmine!“

Zurück im „Le Belrose“ verbinden sich die Früchte der Erde mit denen des Meeres: Jakobsmuschel mit grünem Spargel und Safran-Crémeux, in Algenbutter gebratene Krebse in Krustentierbisque und schließlich tagesfrischer Wolfsbarsch, perfekt auf den Punkt gegart, begleitet von gedünsteten Morcheln, die dem Gericht Tiefe und Fülle verleihen. Dazu zarte Erbsen, geräucherter Colonnata-Speck und eine mit Kardamom parfümierte Jus. Es sind Teller, die vom Licht und den Farben des Südens geprägt sind, so wie sich eine ganze Generation von Malern, von Cézanne bis Matisse, hier inspirieren ließ.

 

Innenansicht Beach Club La Reserve
© Gregoire Gardette
Der traumschöne Beach Club, den das Hotel La Réserve Ramatuelle in Zusammenarbeit mit Loro Piano betreibt, ist selten so leer wie hier.

Farben, die auch St. Tropez’ Beach Clubs verwöhnen, Celebrity-Evergreens wie „Nikki Beach“ (aktuell komplett neu renoviert) oder die chice, vom Riviera-Feeling der 1950er inspirierte„Loulou Plage“ (sehr gute Cocktails!). Einen Besuch lohnen der Pop-up-Club von Simon Porte Jacquemus mit in Bonbonfarben gestreiften Liegen und Schirmen im „Indie Beach“ oder der edle, mit Loro Piana gestylte „La Réserve à la Plage“ des gleichnamigen Hotels in Ramatuelle. Für Individualisten empfiehlt sich der coole „La Brigantine“ am Gigaro Beach von La Croix-Valmer, wo man im sehr relaxten Ambiente bei einem echten Könner speist: Vincent Maillard kochte in den Drei-Sterne-Häusern von Guy Savoy und Alain Ducasse, bevor er die Küchenleitung im von Philippe Starck designten Hotel Lily of the Valley (zu dem „La Brigantine“ gehört) übernahm. Starck selbst betrachtet das 44-Zimmer-Hausmitten in der Natur als eines seiner erfolgreichsten Projekte: „Wenn man hier Zeit verbringt, möchte man nie wieder weg.“ Von Küchenchef Maillard lässt sich der Designer am liebsten den „Lily Salad“ mit allem, was der Gemüsegarten hergibt, servieren. Oder gegrillten Oktopus mit Tomatenconfit und Kapern. Hauptsache, es gibt dazu den unverstellten Blick über La Méditerranée bis zum Horizont.

Apropos Panorama: Eines der schönsten bietet das Restaurant „La Voile“ in Ramatuelle hoch über dem Meer. Hier hat es Éric Canino zu zwei Sternen gebracht – mit Gerichten, die auf spektakuläre Effekte verzichten, sondern ganz in der Stimmung von Frankreichs Süden verankert sind. Von Michel Guérard, dem Großmeister einer leichten, gesunden Spitzenküche, hat er gelernt, wie man ein scheinbar einfaches Produktwie die Rote Bete in Szene setzt: „Man kann sie zum Klingen bringen, wenn man ihr nur gut genug zuhört.“ Die Bete wird im Ganzen im Ofen gegart, sodass ihre süßlich erdigen Aromen zum Tragen kommen, dann in Scheiben angerichtet und mit konfierten Zitronen, Koriandersamen und Olivenöl aromatisiert.

Ein Signature Dish im „La Voile“, zu dem der Sommelier einen leichten Rosé aus der Provence ins Glas schenkt: „Er übertönt das Gericht nicht, sondern begleitet es wie eine leichte Sommerbrise.“ Caninos Küche, die auf den Eigengeschmack der Produkte setzt, steht für einen Trend, der zwischen Menton und Marseille derzeit Schule macht: Es braucht weder Gourmettempel-Atmosphäre noch elitäre Produkte, um große Küche auf den Teller zu bringen. Weniger ist oft mehr – das ist das Motto einer neuen Köchegeneration im Süden, das perfekt zum entspannten Lebensgefühl von St. Tropez passt.

Les Adresses

Hotels

ALTHOFF VILLA BELROSE. Ab 350 Euro, La Grande Bastide, Boulevard des Crêtes, Gassin, T. +33.4.94559797, villa-belrose.com

LILY OF THE VALLEY. Ab 400 Euro, Colline Saint-Michel, Boulevard Abel Faivre, Quartier de Gigaro, La Croix-Valmer, T. +33.4.22732200, lilyofthevalley.com

LA RÉSERVE A RAMATUELLE. Ab 600 Euro, 736 Chemin des Crêtes, Ramatuelle, T. +33.4.94449444, lareserve-ramatuelle.com

 

Restaurants

ARNAUD DONCKELE & MAXIME FRÉDÉRIC AT LOUIS VUITTON. Menü ab 170 Euro (mittags), Di.–So., 13–17:30 und 19–22 Uhr, Place des Lices, T. +33.4.94455050, white1921.com

LE BELROSE. Hauptgerichte ab 64 Euro, Mo.–So., 19–22:30 Uhr, La Grande Bastide, Boulevard des Crêtes, Gassin, T. +33.4.94559797, villa-belrose.com

COLETTE. Hauptgerichte ab 72 Euro, Di.–So., 19:30–22:30 Uhr, 151 Route des Salins, T. +33.4.94445311, Saint-Tropez, hotelsezz.com

LA VAGUE D´OR. Menü ab 445 Euro, Do.–Di., 19:30–22:30 Uhr, Plage de la Bouillabaisse, Saint-Tropez, T. +33.4.94559100, chevalblanc.com

LA VOILE. Degustation 259 Euro, Mo.–So., 19:30 bis 22:30 Uhr, 736 Chemin des Crêtes, Ramatuelle, T. +33.4.94449453, lareserve-ramatuelle.com

 

Beach Clubs

LA BRIGANTINE. Hauptgerichte ab 39 Euro, Plage de Gigaro, La Croix-Valmer, T. +33.4.22732200, lilyofthevalley.com

JACQUEMUS PLAGE IN INDIE BEACH. Hauptgerichte ab 34 Euro, Route de Bonne Terrasse, Ramatuelle,T. +33.4.94798104, indiegroup.fr

LA RÉSERVE À LA PLAGE. Hauptgerichte ab 38 Euro, Mo.–So., ganztägig, Plage de Pampelonne, Route de l’Epi-Pampelonne, Ramatuelle, T. +33.4.94963988, lareserve-plage.com

Traveller's World – Jetzt abonnieren!

Tauchen Sie ein in die Welt des stilvollen Reisens.

Entdecken Sie luxuriöse Hideaways, außergewöhnliche Destinationen und inspirierende Geschichten aus aller Welt.

Es gibt sie noch, die Momente, wo St. Tropez ganz bei sich ist. Wo, zumindest für einen Wimpernschlag, die Seele des kleinen provenzalischen Fischerdorfs aufblitzt. Zum Beispiel jetzt, morgens um acht Uhr. Wenn das Licht, wie schon Brigitte Bardot wusste, hier weicher ist als anderswo, herrscht auf dem täglichen Markt an der Place aux Herbes noch die pure Idylle. Die Morgensonne lässt die Baby-Auberginen, die Walderdbeeren und Zitronen aus Menton genauso strahlen wie die Superyachten im nahen Hafen. Bäuerinnen aus dem Umland bieten alte Tomatensorten im Dutzend, in Rot, Grün und Gelb, dazu Weinbergpfirsiche, prall-reife Feigen, intensiv duftende Basilikumsträuße. Am Stand der Pêcheries tropéziennes sind die Fische dekorativ arrangiert, perfekt aufgereiht die Doraden Royale, zur Rosette gelegt die ultrafrischen Garnelen, im Licht der frühen Sonne schimmernd die Muscheln.

In diesem Moment bekommt man eine Ahnung davon, wie St. Tropez gewesen sein mag, bevor der Regisseur Roger Vadim die blutjunge Brigitte Bardot barfuß und für die Zeit ziemlich freizügig durch die Gassen tanzen ließ. Sein Film „Et Dieu… créa la femme“ katapultierte das Dorf im Sommer 1956 mit einem Schlag auf die Landkarte der globalen Popkultur. „St. Tropez ist eine Bühne“, hat Karl Lagerfeld einmal gesagt. „Und jeder, der dort ist, spielt eine Rolle.“ Tatsächlich ist kein anderer Ort an der Côte d’Azur so aufgeladen mit Illusion und Inszenierung. Der Mythos von St. Tropez lebt nicht nur von seinen berühmten Stränden, seinem Licht und der mediterranen Leichtigkeit – sondern vor allem von den Geschichten, Bildern und Persönlichkeiten. Im Gefolge von Coco Chanel, Françoise Sagan und vielen anderen kamen Filmteams, Fotografen, Intellektuelle und schließlich der internationale Jetset.

Zu den Traumvillen mit Blick aufs Mittelmeer, den Superyachten mit ihrem grellen Luxus, der allsommerlichen Prozession von Stars und Sternchen passt, dass sich St. Tropez mittlerweile auch einen respektablen Platz als Gourmetziel erarbeitet hat, inklusive eines echten Superstars: Arnaud Donckele. Wir treffen den Mann, der mit seinem Erfolg völlig allürenfrei umgeht, im Restaurant „La Vague d’Or“ an der Plage de la Bouillabaisse. Jeder der von alten Pinien beschatteten Tische schaut auf das, was man hier „La Grande Bleue“ nennt. Gut möglich übrigens, dass Jennifer Lopez oder Beyoncé am Nebentisch Platz nehmen. Für Donckele allerdings sind alle Gäste gleich. Selbst Bernard Arnault, Patron von LVMH, hat er mal 40 Minuten warten lassen, um den Service zu beenden.

 

St. Tropez ist eine Bühne. Und jeder, der dort ist, spielt eine Rolle.

Karl Lagerfeld

Donckeles Küche, vom Guide Michelin schlicht und einfach als„knockout food“ beschrieben, ist allein die Reise wert. Der bei Alain Ducasse und Michel Guérard gestählte Normanne erkochte 2013 mit 35Jahren hier den dritten Stern (seit 2022 trägt er die gleiche Auszeichnung auch im Pariser „Plénitude“, wo er das Winterhalbjahr verbringt). Auf seinen Tellern feiert er die Schätze des Meeres: Langustinen verbindet er mit der Frische korsischer Oro-Blanco-Grapefruit, Steinbutt gart er mit Zitronengras und Algen in Meerwasser. Eine Hommage an seinen Mentor Jean-Louis Nomicos ist Zitronen-Pasta, gefüllt mit Foie gras und schwarzem Trüffel, begleitet von violetter Artischocke in drei Texturen (roh, gekocht, als Tuile) und verfeinert mit luftiger Basilikumsauce. Unvergesslich auch das Carpaccio von der Meeräsche, ebenso hauch-dünn aufgeschnitten wie die Weinbergpfirsiche und Nektarinen, mit denen es zu einem bildschönen Tableau angerichtet ist. Legende aber sind, selbst im Kollegenkreis, Donckeles Saucen, die keine bloßen Begleiter, sondern mit ihrer Tiefe und Präzision, ihrem oft ätherischen Aromenspiel zentrales Element seiner Gerichte sind. Als „fast schon spirituell“ nannte sie der große Drei-Sterne-Kollege Pierre Gagnair.

Doch St. Tropez kann auch deutlich lässiger. Neu diese Saison ist das „Zuma“, die international erfolgreiche Restaurantmarke hat sich im ikonischen Hotel Byblos angesiedelt: Sushi, Sashimi und beste Cuts vom Robata-Grill werden unter freiem Himmel in den Gärten des Hauses serviert. Gute Adressen zum Sehen und Gesehen werden sind auch die„Beefbar“ im Hotel Lou Pinet und natürlich das Open-Air-Restaurant des Hotels White 1921 an der Place des Lices, wo Arnaud Donckele mit seinem Pâtissier Maxime Frédéric unter dem Dach von Louis Vuitton mit einem legereren Konzept einen Stern erkocht hat. Und zum Apéro, zum Sehen und Gesehenwerden? Natürlich die ewig umschwirrte Terrasse des „Café Sénéquier“.

 

Terrasse vom Hotel Cheval Blanc in Saint Tropez
© Oliver Fly/Baur au Lac
Koch steht am Tisch mit 2 Frauen die ihn anschauen
© Agence Webcom
Auf der Terrasse des Hotels Cheval Blanc möchte man dem Mythos von St. Tropez schon beim Lunch zuprosten (li.). Fine Dining im Colette, ansässig im Hotel Sezz.

Wer es lieber etwas intimer mag, muss bloß ein paar Schritte gehen und entdeckt das St. Tropez, das die Schriftstellerin Colette schon in den 1920er-Jahren inspirierte. Neben ihrer Villa La Treille Muscate, wo sie mit ihrem letzten Ehemann lebte, liegt das Hotel Sezz mit seinem nach der berühmten Nachbarin benannten Restaurant. Bei Philippe Colinet nimmt man unter Olivenbäumen am Pool Platz und taucht gleich in seine Welt provenzalischer Genüsse ein: Die kleinen Artischocken, dieman hier poivrade nennt, serviert er mit Parmesan und Rucola in Bagnacauda-Sauce, zur Felsenrotbarbe gibt es Aioli, Fenchel, Basilikum und eine dichte Jus, die Colinet aus den Fischkarkassen kocht. Und zum Dessert? Duftende Erdbeeren aus dem Var mit Basilikum und Baiser.

„Kilomètre-zéro“ – so nennt man in Frankreich die Küche, die den Produkten aus nächster Nähe huldigt. Nach dieser Maxime arbeitet auch Jimmy Coutel, der in dieser Saison im Restaurant „Belrose“ der gleichnamigen Villa in Gassin mit einem neuen Konzept als Hommage an die Provence startet. Auf der weitläufigen Terrasse, von der man den schönsten Blick weit und breit auf St. Tropez und das Mittelmeer hat, servierter als Vorspeise einen Teller, auf dem rohe und gegarte Gemüse mit Kräutern und essbaren Blüten zu einem wahren Kunstwerk arrangiert sind: „Eine Hommage an meinen Freund Sydney.“

Um Coutels Inspiration zu verstehen, begleiten wir ihn ins nahe Grimaud, in die paradiesischen Gärten von Sydney Biasotto. Der Quereinsteiger verbirgt seine Rasta-locken unter einer Wollmütze, auch Arnaud Donckele schwört auf ihn. Coutel läuft durch das üppige Grün von Biasottos ökologisch bewirtschafteter „Plantation de Seed“ und freut sich wie ein Kind über unzählige alte Tomatensorten, von der Green Zebra bis zur fast schwarzen Noire de Crimée. Er bewundert zarte Zucchiniblüten und die u-förmig gebogenen „courgettes violon“, für ihn „geschmacklich der Rolls-Royce unter den Zucchini“. Ersteckt sich eine Erdbeere in den Mund und wird einen Moment ganz ruhig, um feinsten Geschmacksnuancen nachzuhängen; er begeistert sich für Basilikumsorten, deren Blätter mal ein Aroma von Ananas, mal von Lakritz haben: „Bei jedem Besuch hier entstehen neue Ideen – für mich die reinste Goldmine!“

Zurück im „Le Belrose“ verbinden sich die Früchte der Erde mit denen des Meeres: Jakobsmuschel mit grünem Spargel und Safran-Crémeux, in Algenbutter gebratene Krebse in Krustentierbisque und schließlich tagesfrischer Wolfsbarsch, perfekt auf den Punkt gegart, begleitet von gedünsteten Morcheln, die dem Gericht Tiefe und Fülle verleihen. Dazu zarte Erbsen, geräucherter Colonnata-Speck und eine mit Kardamom parfümierte Jus. Es sind Teller, die vom Licht und den Farben des Südens geprägt sind, so wie sich eine ganze Generation von Malern, von Cézanne bis Matisse, hier inspirieren ließ.

 

Innenansicht Beach Club La Reserve
© Gregoire Gardette
Der traumschöne Beach Club, den das Hotel La Réserve Ramatuelle in Zusammenarbeit mit Loro Piano betreibt, ist selten so leer wie hier.

Farben, die auch St. Tropez’ Beach Clubs verwöhnen, Celebrity-Evergreens wie „Nikki Beach“ (aktuell komplett neu renoviert) oder die chice, vom Riviera-Feeling der 1950er inspirierte„Loulou Plage“ (sehr gute Cocktails!). Einen Besuch lohnen der Pop-up-Club von Simon Porte Jacquemus mit in Bonbonfarben gestreiften Liegen und Schirmen im „Indie Beach“ oder der edle, mit Loro Piana gestylte „La Réserve à la Plage“ des gleichnamigen Hotels in Ramatuelle. Für Individualisten empfiehlt sich der coole „La Brigantine“ am Gigaro Beach von La Croix-Valmer, wo man im sehr relaxten Ambiente bei einem echten Könner speist: Vincent Maillard kochte in den Drei-Sterne-Häusern von Guy Savoy und Alain Ducasse, bevor er die Küchenleitung im von Philippe Starck designten Hotel Lily of the Valley (zu dem „La Brigantine“ gehört) übernahm. Starck selbst betrachtet das 44-Zimmer-Hausmitten in der Natur als eines seiner erfolgreichsten Projekte: „Wenn man hier Zeit verbringt, möchte man nie wieder weg.“ Von Küchenchef Maillard lässt sich der Designer am liebsten den „Lily Salad“ mit allem, was der Gemüsegarten hergibt, servieren. Oder gegrillten Oktopus mit Tomatenconfit und Kapern. Hauptsache, es gibt dazu den unverstellten Blick über La Méditerranée bis zum Horizont.

Apropos Panorama: Eines der schönsten bietet das Restaurant „La Voile“ in Ramatuelle hoch über dem Meer. Hier hat es Éric Canino zu zwei Sternen gebracht – mit Gerichten, die auf spektakuläre Effekte verzichten, sondern ganz in der Stimmung von Frankreichs Süden verankert sind. Von Michel Guérard, dem Großmeister einer leichten, gesunden Spitzenküche, hat er gelernt, wie man ein scheinbar einfaches Produktwie die Rote Bete in Szene setzt: „Man kann sie zum Klingen bringen, wenn man ihr nur gut genug zuhört.“ Die Bete wird im Ganzen im Ofen gegart, sodass ihre süßlich erdigen Aromen zum Tragen kommen, dann in Scheiben angerichtet und mit konfierten Zitronen, Koriandersamen und Olivenöl aromatisiert.

Ein Signature Dish im „La Voile“, zu dem der Sommelier einen leichten Rosé aus der Provence ins Glas schenkt: „Er übertönt das Gericht nicht, sondern begleitet es wie eine leichte Sommerbrise.“ Caninos Küche, die auf den Eigengeschmack der Produkte setzt, steht für einen Trend, der zwischen Menton und Marseille derzeit Schule macht: Es braucht weder Gourmettempel-Atmosphäre noch elitäre Produkte, um große Küche auf den Teller zu bringen. Weniger ist oft mehr – das ist das Motto einer neuen Köchegeneration im Süden, das perfekt zum entspannten Lebensgefühl von St. Tropez passt.

Les Adresses

Hotels

ALTHOFF VILLA BELROSE. Ab 350 Euro, La Grande Bastide, Boulevard des Crêtes, Gassin, T. +33.4.94559797, villa-belrose.com

LILY OF THE VALLEY. Ab 400 Euro, Colline Saint-Michel, Boulevard Abel Faivre, Quartier de Gigaro, La Croix-Valmer, T. +33.4.22732200, lilyofthevalley.com

LA RÉSERVE A RAMATUELLE. Ab 600 Euro, 736 Chemin des Crêtes, Ramatuelle, T. +33.4.94449444, lareserve-ramatuelle.com

 

Restaurants

ARNAUD DONCKELE & MAXIME FRÉDÉRIC AT LOUIS VUITTON. Menü ab 170 Euro (mittags), Di.–So., 13–17:30 und 19–22 Uhr, Place des Lices, T. +33.4.94455050, white1921.com

LE BELROSE. Hauptgerichte ab 64 Euro, Mo.–So., 19–22:30 Uhr, La Grande Bastide, Boulevard des Crêtes, Gassin, T. +33.4.94559797, villa-belrose.com

COLETTE. Hauptgerichte ab 72 Euro, Di.–So., 19:30–22:30 Uhr, 151 Route des Salins, T. +33.4.94445311, Saint-Tropez, hotelsezz.com

LA VAGUE D´OR. Menü ab 445 Euro, Do.–Di., 19:30–22:30 Uhr, Plage de la Bouillabaisse, Saint-Tropez, T. +33.4.94559100, chevalblanc.com

LA VOILE. Degustation 259 Euro, Mo.–So., 19:30 bis 22:30 Uhr, 736 Chemin des Crêtes, Ramatuelle, T. +33.4.94449453, lareserve-ramatuelle.com

 

Beach Clubs

LA BRIGANTINE. Hauptgerichte ab 39 Euro, Plage de Gigaro, La Croix-Valmer, T. +33.4.22732200, lilyofthevalley.com

JACQUEMUS PLAGE IN INDIE BEACH. Hauptgerichte ab 34 Euro, Route de Bonne Terrasse, Ramatuelle,T. +33.4.94798104, indiegroup.fr

LA RÉSERVE À LA PLAGE. Hauptgerichte ab 38 Euro, Mo.–So., ganztägig, Plage de Pampelonne, Route de l’Epi-Pampelonne, Ramatuelle, T. +33.4.94963988, lareserve-plage.com

Traveller's World – Jetzt abonnieren!

Tauchen Sie ein in die Welt des stilvollen Reisens.

Entdecken Sie luxuriöse Hideaways, außergewöhnliche Destinationen und inspirierende Geschichten aus aller Welt.