Falkensteiner Resort Capo Boi

50 Shades of Bay

Amalfi, Capri, Positano? Kennt jeder. Die Bucht von
Capo Boi an Sardiniens magischer Südostküste:
noch ein Geheimtipp. Mathias Forster hat sie erforscht.

Lautes Piepen und Pfeifen reißt mich aus meinen Träumen. Verschlafen tapse ich zur Terrasse meiner Seaside Suite – und werde augenblicklich besänftigt vom Anblick, der sich mir da bietet. In Dutzenden von Blautönen schimmert das Meer vor mir im Glanz des Morgens. Nach links hin, zum Park, badet das dichte Grün einer Schirmkiefer im frühen Sonnenlicht. Der prächtige Baum ist das Domizil von Rosenköpfchen, Kleinpapageien mit roten Hauben, die gerade Ärger haben: Eines ihrer Nester ist abgestürzt.

Wie gut, dass unsere Residenz, das Falkensteiner Resort Capo Boi im Südosten Sardiniens, auf Granit ruht. Das passt zur Philosophie der Gastgeberfamilie, die sich aus einer kleinen Pension in Südtirol zu einer Hotelgruppe mit 30 Adressen hochgearbeitet hat und größten Wert auf bodenständige Qualität legt. Entsprechend spart sie nicht an Bau und Design ihrer Häuser und arbeitet gern mit Stars wie Matteo Thun oder Bea Mitterhofer zusammen. Für ihre Premiere auf Sardinien wurde allerdings ein heimisches Architekturstudio engagiert, das ein blitzweißes Traumhotel in die Bucht gestellt hat: Mit seinen 120 Unterkünften diverser Kategorien, alle mit Balkon, Terrasse oder eigenem Garten, ist das Fünfsterne-Resort nicht gerade klein, doch dank seines unprätentiösen Designs, geschmückt mit maurischen Stilelementen und bestückt mit sardischer Handwerkskunst, wirkt es alles andere als klotzig und fügt sich harmonisch in die natürliche Umgebung ein: die mächtige Felskulisse landwärts und das endlose Blau seewärts.. Hat die Sonne die letzten Schwaden der Nacht verjagt, strahlen die Hotelfassade, der helle Sandstrand, der exklusiv zum Resort gehört, und das funkelnde Meer um die Wette.

Das Buffet im „Artigiani“ lässt auch mich strahlen: Spezialitäten aus lokalen Fattorie und Macellerie, frische Leckerbissen aus dem Meer und Früchte „a mucchi“. Gefrühstückt wird auf der Terrasse mit dem Ausmaß und Ambiente einer Piazza. Die Tische füllen sich, die ersten Wasserratten streben zum Strand und in die drei Außenpools, und trotzdem wirkt die Szenerie friedlich und ruhig: ein Spagat zwischen Exklusivität und fröhlichem Leben, dessen Gelingen der Weiträumigkeit und familiären Atmosphäre des Resorts geschuldet ist. Vor 60 Jahren herrschten hier noch Halligalli und Rambazamba: In der heißen Phase des “Dolce Vita” war die versteckte Bucht mit der Spiaggia Capo Boi ein Hotspot des italienischen Jet Sets mit seiner nimmermüden Partylaune. Zum Glück entdeckte der bald die Costa Smeralda im Norden, und am Capo Boi kehrte wieder Frieden ein.

Ein mannsgroßer Falke spaziert über die Piazza: Falky, das Hotelmaskottchen, um Kinder ins „Falkyland“ zu führen, wo sie liebevoll betreut nach Herzenslust spielen und baden können. Außerdem wird den Kleinen noch viel Anderes geboten: Schwimm- und Tauchkurse, Naturtrips, Puppentheater, Kreativ-Workshops und sogar eine Fußballschule mit Profis vom örtlichen Fußball-Club Cagliari Calcio, die im Urlaub gern mit Kindern arbeiten.

Uns betreut kein Falke, sondern Alexandra Geyer, die es lieber mit Erwachsenen zu tun hat, denen sie den famosen Standort des Resorts ans Herz legen mag: „Das Meer ringsumher gehört zum Schutzgebiet Capo Carbonara“, erklärt sie, „und unsere Bucht ist eine blühende Oase in einer der trockensten Regionen Europas.“ Umso stolzer sei man auf die gehegte Flora in der Anlage, zu der auch eine Plantage samt Kräutergarten gehört. Zu den wildwachsenden Duftspendern gehören Myrten und Olivenbäume, Mastix und Wacholder, Pinien, Palmen und Eukalyptus.

Eukalyptus? Hier? Das bedarf einer Erklärung. „Vor 150 Jahren brauchten die Italiener Unmengen Holz für den Bau ihres Eisenbahnnetzes“, erzählt Alexandra. „Das Opfer des Kahlschlags wurde Sardinien, denn in Rom sagte man sich: Die sind weit weg, sollen sie doch schimpfen.“ Die Sarden, eher gutmütig und praktisch veranlagt, handelten aber lieber: Sie pflanzten Eukalyptus-Bäume aus Australien an, die für ihre Genügsamkeit berühmt sind. „Die dazugehörigen Koalas haben die Sarden nicht importiert?“, frage ich. „Nein, dafür gibt es auf Sardinien viele Esel und Ziegen – einige davon bei uns im hoteleigenen Capo Boi Petting Zoo.“

Den wollen wir natürlich gleich besichtigen. Die Tiere sind freundlich, wie alle Sarden, nur ihr Alpha, der alte Esel Angelino, macht manchmal Zicken. Oberhalb des Geheges, auf einem Hügel, thront die Krönung der Gastlichkeit am Capo Boi: die Villa Bellavista. Die Luxusresidenz kann man nur exklusiv buchen für einen stolzen Preis. Dafür werden drei Schlafzimmer für sieben Personen geboten, Privatpool, eigener Strandzugang, Butler-Service, ein Küchenchef auf Abruf und die Königsloge über dem Meer.

Für den weiteren Tagesverlauf gibt es zahlreiche Optionen: Wassersport, Inseltörns mit Segler oder Katamaran, Wellness pur im Acquapura Spa, Open-Air-Fitness, Yoga-Sessions, Ausflüge auf dem Drahtesel oder hoch zu Ross, Sightseeing und Shopping im munteren Küstenstädtchen Villasimius. Nähere Ziele sind der Torre di Capo Boi für Jogger und Wanderer, und für Schwimmer ein felsiges Eiland in der Bucht. Doch nach all dem ist uns heute nicht: lieber herumschlendern, im Beach Lounge Chair mit den Füßen im warmen Sand den Haus-Cocktail „Falco“ auf Basis von Aperol und Punt e Mes genießen, später dabei zuschauen, wie ein Sandro aus dem Küchenteam coram publico Mascarpone und Ricotta herstellt.

Das abendliche Buffet im Artigiani, angerichtet vom Chef in Residence Massimiliano, verdient schon rein optisch Applaus. Mich aber verlockt das Ungetüm, das in der Grillstation zubereitet wird: ein Schwertfisch vom Format eines Dobermanns, dem ich nicht wiederstehen kann. Eine Tischnachbarin tut sich an den „Spaghetti Carbonara a la casa“ gütlich, die sie als „göttlich“ bewertet. Dazu serviert uns Alex eine erstaunliche Geschichte: Früher wurde in Südsardinien Steinkohle gefördert, die von Köhlern zu Holzkohle verarbeitet wurde. Und weil die Leibspeise der „carbonai“ Spaghetti mit Käse und Schinken war, bürgerte sich erst auf Sardinien und dann weltweit der Name „Carbonara“ für das Kultgericht ein. Wieder etwas gelernt.

Am nächsten Morgen weckt mich kein Papageien-Theater, sondern die Vorfreude auf unseren Tagesplan: eine Schnorchel-Expedition in der „Capo Carbonara Marine Protected Area“ (CCMPA). Unser Boot ist ein Schmuckstück, unser Skipper Giuseppe hauptberuflich ein Banker, der wie der junge Jean Reno aussieht, und unser Acqua-Guide eine portugiesische Schönheit, die sich als Nixe versteht „die nur selten an Land geht“. So tuckern wir munter durchs Schutzgebiet und steuern bald eine Insel namens „Isola dei Cavoli“ („Kohl-Insel“) an, deren klumpige Felsen an Kohlköpfe erinnern und die von Möwen, Flamingos und Pelikanen bevölkert wird. Uns aber wurde ein Unterwasser-Schauspiel versprochen, und das wird uns geboten: mit Fischen quer durch die Farbpalette über Langusten und Zackenbarsche bis hin zu Schildkröten. Was für eine wunderschöne heile Welt!

Mochten wir meinen. Später im Hotel vertreibt uns Fabrizio Atzori, der Direttore des CCMPA, die Illusion. „Vor zehn Jahren war bei uns das Wasser im Sommer noch 28 Grad warm, jetzt sind es schon 31,4 Grad.“ Die Folge der Klimaerwärmung: Die atlantische Fauna wird verdrängt oder stirbt aus, die Migration aus dem Indischen Ozean durch den Suezkanal nimmt zu. „Aber man kann noch etwas tun“, sagt Fabrizio. Sein Zauberwort heißt „Posidonia“: Das Seegras kann fast alles, es produziert Sauerstoff, kühlt das Wasser, bremst das Artensterben und stabilisiert die Dünen. Deshalb hat sich Fabrizio der Anpflanzung der Posidonia verschrieben und wirbt weltweit dafür – bei nächster Gelegenheit im November auf der „Climate Change Conference“ in Sharm el Sheikh.

So werden wir getröstet in den Abend entlassen. Für mehr Trost sorgt das 12-Gänge-Menü, das uns Theodor Falser bereitet. Der Südtiroler stand schon als Bub in Mutters Küche und träumte davon, als Meisterkoch zu den Sternen zu greifen. 2014 bekam er einen von Michelin für seine „Johannesstube“ im Eggental. Wenn es nach uns ginge, würde er sofort auch einen für das „Kento“ im Falkensteiner Capo Boi bekommen: für seine unvergesslichen Crossover-Kreationen von sardisch bis japanisch.

Morgen geht es wieder nach Hause. Wie sagte Fabrizio? Posidonia kann fast alles? Ich sollte etwas davon als Flechtmaterial auslegen, bevor wir fahren: Vielleicht stabilisiert das Seegras ja nicht nur Dünen, sondern auch Rosenhäubchen-Nester.

Junior Suite ab 329 Euro

Villa Bellavista: ab 2.800 Euro

www.falkensteiner.com/resort-capo-boi