
Anleitung zum Glücklichsein
Anleitung zum Glücklichsein
1. Reisen Sie in das letzte buddhistische Königreich / 2. Nehmen Sie so viele Ein-
drücke wie möglich in sich auf / 3. Leben
Sie nach dem Beispiel von Bhutan
Text: Reinhard Modritz
Das Land der Verheißung ist etwa so groß wie die Schweiz. Seine Berge sind allerdings, wir sind schließlich im Himalaya, deutlich höher. Und die Menschen womöglich klüger. Fossile Brennstoffe? Nein danke, man setzt auf Fließwasserkraft. Jagen, Fischen, Schlachten? Verboten. Bruttosozialprodukt? Wichtiger ist das Bruttosozialglück: Die Geborgenheit in Familie, Umwelt und Traditionen gehört in Bhutan zur Staatsräson. Das schließt mit ein, dass – um nicht vom Massentourismus überrannt oder gar korrumpiert zu werden – nur 200 000 Ausländer im Jahr das Shangri-La der Nachhaltigkeit und Weisheit besuchen dürfen. Jeder muss täglich mindestens 250 Dollar im Land lassen. Dafür gibt es ein Paket aus akzeptabler Unterkunft, obligatorischem Guide und ordentlicher Verpflegung. Wer, wie unsere kleine Reisegruppe, höhere Ansprüche hat, muss deutlich tiefer in die Tasche greifen.
Schon beim Anflug erinnert die Himalaya-Kette an den gezackten Rücken eines mythischen Mischwesens. Und tatsächlich: In der Landessprache heißt Bhutan „Druk Yul“, „Reich des Donnerdrachens“. Von Anbeginn der Zeit sendet er seine grollenden Grüße von den Bergen, zugleich aber behütet er seine Schützlinge, heute nicht mehr als 800 000 Bhutanesen, vor bösen Mächten. Der Drache ziert die Flagge des Königreichs und die Schwanzflosse des Drukair-Airbus, der uns von Delhi nach Paro bringt, einen von gerade mal vier der Royal Bhutan Airlines. So klein ist der Flughafen und so eng in ein Tal gezwängt, dass er nur von speziell ausgebildeten Piloten angeflogen werden darf. Der unsrige, verrät mir mein Sitznachbar, sei weitläufig mit König Jigme Khesar Namgyel Wangchuck verwandt – es ruhe also höchster Segen über uns.
Zur Dämmerstunde spiegelt sich der Gebetspavillon fast mystisch im Pool der Thimphu Logde. Die Brücke vom Diesseits in höhere Sphären scheint in Bhutan ohnedies kürzer
Das dürfte dann auch für die Unterkünfte auf unserer Reise gelten. Denn ihr Besitzer Dasho Sangay Wangchuck ist ein Schwager des Königs. Letztes Jahr wagte er den Einstieg in die Luxushotellerie, die in Bhutan bislang nur spärlich vertreten war. Fünf exquisite Resorts hat er in traumschöne Landschaften gesetzt und deren Management Six Senses anvertraut – aus gutem Grund: Die Hotelgesellschaft mit Sitz in Thailand ist ein Vorreiter in Sachen Umweltschutz und Achtsamkeits-Architektur. Am einzigen Gepäckband des Paro International Airport werden wir schon erwartet: Galey wird unser Guide sein, er spricht Hochdeutsch, weil (oder obwohl?) er in Stuttgart studiert hat. Und Tashi, GEM („Guest Experience Maker“) von Six Senses, ist so etwas wie die Personifizierung des Königreichs – schließlich bedeutet ihr Name „Glück“. Nomen est omen: Es beschleicht uns bereits auf der Fahrt zu unserer ersten Unterkunft, der Six Senses Logde hoch über der Hauptstadt Thimphu. Reisterrassen, Blumenwiesen, Obstbäume und schmucke Bauernhäuser, wie alle Gebäude in Bhutan per Dekret des Königs in traditionellem Fachwerk errichtet, ziehen an uns vorbei.
Der Punakha Dzong, eine 1637 errichtete Klosterburg mit roten Dächern, lagert zwischen dem Mutter- und dem Vaterfluss. Jahrhundertelang wurde von hier das Königreich regiert
Die Massive oberhalb der bewohnten Hänge dagegen hängen in Wolken. Die Siebentausender Gangkhar Puensum und Kula Kangri sind die höchsten Berge des Landes und zugleich die höchsten noch nie bestiegenen Berge der Welt: Weil in den Gipfelregionen nur die Götter wohnen, ist in Bhutan – Unglück der Extrembergsteiger – ab 5500 Metern Schluss mit der Kraxelei. Die Gestaltung der Lodge folgt der Devise: „Halte dich zurück, hier ist die Natur die Sensation.“