Für ARMCHAIR TRAVELLER

Die besten Bilderbücher verändern die Sicht auf die Welt. Diese Neuerscheinungen haben die Redaktion fasziniert

CORDIALI SALUTI
Dass der Mann eigentlich Peruaner ist? Egal. Italien hat immer eine Liebeserklärung verdient, warum nicht auch von Mario Testino, dem Modefotografen, der immerhin italienische Vorfahren und während seiner gut 40-jährigen Karriere in dem Land und mit dessen Einwohnern oft gearbeitet hat. Ciao hat er seine „Omaggio all’Italia” genannt und sie prall mit seinen Bildern gefüllt. Wir sehen die natürliche sprezzatura auf der abendlichen passeggiata, die Pracht der Paläste und den allgegenwärtigen  Antagonismus von Katechismus und Anbetung der Äußerlichkeit. Möchten wir wieder hinfahren und selbst eintauchen in dieses unglaubliche Land? Certo, so schnell wie möglich.

Taschen, 254 Seiten, 60 Euro

ARCHISKULPTUR
Rechte Winkel, gerade Wände – für die 1950 in Bagdad geborene, in London arbeitende und 2016 in Miami verstorbene Großfürstin des bildhauerhaften Bauens war das Bauhaus die Lehre der Beschränkung. Was sie dagegensetzte, lehrt der großvolumige, wenngleich rechteckige, Catalogue raisonné Zaha hadid. Complete Works: große, fließende Formen, die eher von der Natur oder archaischen Skulptur inspiriert scheinen als von den Gesetzen der Statik. Besonders radikal konnte sie ihre Ideen unter autoritären Regimes durchsetzen. Aber mit dem BMW-Werk in Leipzig, dem Phaeno-Wissenschaftszentrum in Wolfsburg oder der Bergisel Schanze über Innsbruck gibt es auch nahe liegende Zeugnisse ihres Schaffens.

Taschen, 672 Seiten, 50 Euro

Go South

Paul Theroux kennt die ganze Welt – seine Heimat, die USA, nur punktuell. Also machte sich der Mann aus Neuengland auf, Neuland zu entdecken: die Südstaaten mit all ihrem Glanz – aber auch Elend.
„Tief im Süden”: die Geschichte der Entdeckung eines unbekannten Landes. Paul Theroux: Tief im Süden. Reise durch ein anderes Amerika. Mit Fotografien von Steve McCurry.

Hoffmann und Campe, Hamburg; 608 Seiten, 26 Euro

Dylan ’64 Revisited
Der Taschen Verlag hat Bob Dylan einen dicken Bildband gewidmet. Und dies nicht, weil der Protagonist im Vergleich zu den üblichen Fotomodellen der Coffeetable-Bücherwelt besonders fotogen wäre. Andererseits bekam His Bobness als erster Musiker überhaupt den Pulitzer-Preis verliehen. Und vor zwei Jahren den Literaturnobelpreis. Überdies hat der Verlag für den opulenten Bildband ein optisch ansprechendes Hintertürchen gefunden: Fotograf Daniel Kramer begleitete den jungen (und hübschen!) Dylan 1964 für ein Jahr auf many roads, um die Antwort im Wind zu hören. Und das ist schon sehenswert.

Taschen, 280 Seiten, 50 Euro

RICH LIFE
Vor ein paar Wochen ist er, 82-jährig, in Montauk aus seinem Haus gegangen und aus dem Leben verschwunden. Dass gerade ihn, der viele seiner Jahre in detailreichen Erinnerungsbüchern festhalten wollte, das Gedächtnis verlassen hat, ist eine besonders tragische Volte des Schicksals. Gerade erst hat der Taschen Verlag die biografische Pop Art von Peter Beard in ein kiloschweres Buch gepackt, eine unvergessliche Collagen-Revue des Leidens der afrikanischen Tierwelt, der Erotik seiner Fotomodelle und der glanzvollen Momente der glamourösen Vita eines reich geborenen New-England-Boys. So werden wir ihn in Erinnerung behalten.

Taschen, 770 Seiten, 100 Euro

Frei erfunden

Es war Elsa Sophia von Kamphoevener, die als Mann verkleidet durch den Orient gereist sein soll, um dort ihre Geschichten zu recherchieren. Helge Timmerberg begibt sich vor Ort auf Elsas Spuren – um herauszufinden, dass seine Heldin alles frei erfunden hat. Aber dafür sind seine Erlebnisse umso authentischer. Helge Timmerberg: Die Märchentante, der Sultan, mein Harem und ich.

Malik Verlag, München; 252 Seiten, 19,99 Euro

Schiff ahoi!

Sie wollten schon immer einmal wissen, wie es auf einer Luxusyacht aussieht? An Deck und auch darunter? Kein Problem: Mit dem „The Superyacht Book” von Tony Harris können Sie sich ein Bild von den faszinierendsten Schiffen der Welt machen. Und sich die Frage stellen: Was ist wahrer Luxus? Ein Chalet in den Alpen, ein Porsche oder vielleicht doch die eigene Yacht? „The Superyacht Book” liefert bei Betrachtung der Sehnsuchtsobjekte die Antwort: Es zeigt die Flaggschiffe von 21 Werften. Welche der schwimmenden Luxusresidenzen über einen Indoor-Pool oder ein Outdoor-Kino verfügen und wo man mit Blick über den Ozean im bootseigenen Gym trainieren kann, wird ebenso geklärt wie die Frage nach den Design- Trends und innenarchitektonischen Vorlieben der Yachties..

TeNeues, 288 Seiten, 60 Euro

Zeit-Zeugen

Die Best-ofs längst vergangener Zeiten scheinen einen gegenwärtigen Nerv zu treffen: Was in den letzten Jahren vor allem Musikveteranen ein Quantum Rampenlicht bescherte, schwappt nun auf Bildbände über. Natürlich nicht irgendwelche Bildbände, sondern die des illustren Kreises der Magnum-Fotografen samt einem Best-of-the-best-Auszug ihrer bahnbrechenden Gegenwartsfotografie der letzten 70 Jahre.
Das „Magnum Photobook: The Catalogue Raisonné” blättert sichdurch Auszüge der faszinierendsten Bildbände der legendärsten Fotografen der wohl legendärsten Foto-Agentur der Welt. Manch einer der vorgestellten Bände entbehrt nicht einer gewissen Aktualität: Eli Reeds „Black in America” aus dem Jahr 1997 dokumentiert die unwürdigen Lebensumstände von Afroamerikanern in den USA. Fotografien, heute so real wie damals.

Phaidon, 272 Seiten, 50 Euro

Dschungelbuch

An Strapazen ist der Münchner Fotograf (und Ex-Model) York Hovest ja mittlerweile gewöhnt. Bei den Expeditionen für seinen letzten Bildband, „Hundert Tage Tibet”, wäre er am Mount Kailash fast erfroren. Jetzt reiste er durch Peru, Brasilien, Venezuela und Ecuador, immer am Amazonas entlang, besuchte indigene Völker, verspeiste Piranhas und nahm an traditionellen Riten teil. Die „Hüter des Waldes” nennt er die Völker, denen er im Dschungel begegnet ist. Bevor er den Auslöser drückte, verbrachte er Tage in ihren Dörfern, um Vertrauen zu schaffen. Schließlich porträtierte er Menschen, die zuvor nie eine Kamera gesehen hatten. York Hovest: „Hundert Tage Amazonien”,

National Geographic, 220 Seiten, 50 Euro

Augenschmaus

Es braucht einen Stuhl, einen Tisch und einen Kellner. So viel Pragmatismus ist in Restaurants natürlich selten. Aber die schiere Vielfalt und Konkurrenz an Restaurants, Bars, Delis, Bakerys und Co. tragen dazu bei, dass ausgefallene Interieurs entstehen. Und nebenbei das Stadtviertel beleben. „Appetizers” nimmt den Betrachter auf eine Reise quer durch internationale Metropolen zu den eigensinnigsten Interieurs, in denen das Essen glatt als Nebenschauplatz durchgehen könnte – von urbanem Jungle-Feeling in Berlin über reduzierten Industrial-Chic in Johannesburg bis hin zu plüschigen Samtwelten in Breslau.

Gestalten, 272 Seiten, 40 Euro

Zufallstreffer

Für die weltbekannte Fotoagentur Magnum lichtete der 1936 geborene Münchner Fotograf Thomas Höpker das Zeitgeschehen ab. Was weniger bekannt war: Er hatte auch ein Auge für kuriose Momente. Der Begriff „concerned photography” aus dem späten 19. Jahrhundert hat Höpkers Schaffen geprägt. In diesem Kontext ist auch sein Bildband „Strange Encounters” zu verstehen: Fotografien, die aus dem Zufall während seiner vielen Reisen und Aufträge entstanden und ohne Schmunzeln kaum zu betrachten sind. Sei es das Hochzeitspärchen im Central Park – umgeben von Plastikmüll. Oder die Wächterin in einer Galerie, deren Haartracht das Stück zeitgenössische Kunst neben ihr zu kommentieren scheint.

Peperoni Books, 180 Seiten, 46 Euro

Mit Seele

Wenn ein in Harvard promovierter Philologe eine Verbindung mit einer Kamera eingeht und dann knapp 15 Jahre die Mongolei bereist, entsteht etwas Einzigartiges. In den kalten Steppen der windgepeitschten Landschaft treffen uralte Riten und Bräuche der Nomaden auf einen Spiegelreflex. Fotograf Hamid Sardar weiß wohl um den in traditionellen Gesellschaften vielgeglaubten Mythos des „Seelenfängers” einer Kamera und weiß noch besser, ihn einzusetzen. Bildgewaltig und stimmungsvoll beschreibt er die Alltagsrituale, Jagdzüge und Praktiken der Mongolen in seinem Bildband „Dark Heavens”. Bilder für die Ewigkeit – mit Seele.

Hamid Sardar: „Dark Heavens”, teNeues, 272 Seiten, 80 Euro

Reisefieber

Damals war es die „Grand Tour”, heute wäre es das „Around the world”-Ticket: Wer im 19. Jahrhundert etwas auf sich hielt und (oder) es sich leisten konnte, ging im frühen Erwachsenenalter auf eine große Reise nach Frankreich, Italien, Ägypten und dem Rest der Welt. „Ein Mann, der nicht in Italien gewesen ist, ist sich immer einer gewissen Unterlegenheit bewusst”, heißt es in einem Benimmknigge aus dem 19. Jahrhundert, „da er nicht das gesehen hat, was man von ihm erwartet.” Der Bildband „Grand Tour” in Koffergröße folgt mit alten, handkolorierten Fotografien den Spuren von Weltenbummlern wie Jules Verne, F. Scott Fitzgerald und Mark Twain.

Taschen Verlag, 616 Seiten, 150 Euro

Mach die Fliege

Frauen fällt bei dem Gedanken an Fliegenfischen meist Brad Pitt und Robert Redford aus „Aus der Mitte entspringt ein Fluss” ein, Männer denken da wohl eher an Einsamkeit, ein kühles Bier und das Glücksgefühl, wenn ein Fisch anbeißt. Nun, das ist ein Klischee. Der Bildband „The Fly Fisher” dokumentiert in anschaulichen Bildern, um was es dabei wirklich geht: Natur, das archaische Erlebnis und die tiefe Verbundenheit – nun ja – mit dem Fisch. Dabei spart das OEuvre nicht an illustrativen Tipps, wie die perfekte „Fliege” zu gestalten sei, was die key pieces in der perfekten Fliegenfischer- Ausrüstung zu sein haben (Olivgrün ist die In-Farbe, so viel sei verraten) und was die stark an Ausdruckstanz erinnernde Bewegung nachhaltig verbessert. Ein Buch für Fischer, Romantiker und Naturfreaks.

Gestalten, 256 Seiten, 40 Euro

Promiflüstern

Irgendwie klar, dass das erste Buch des britischen Reisemagazins „Condé Nast Traveller” ein kunterbuntes coffee-table book über die schönsten Unterkünfte der Welt werden würde. Immerhin wissen die Kollegen ja, über was sie schreiben. Trotzdem oder gerade deswegen haben sie sich für „Chic Stays” Hilfe von Kate Moss, Eddie Redmayne, Sofia Coppola und vielen weiteren prominenten Reisenden geholt und sie über ihre allerliebsten Lieblingshotels ausgefragt. Dabei rausgekommen ist ein schillerndes Kompendium exklusiver Hotels und Resorts rund um den Globus. Und der ein oder andere Geheimtipp. Etwa von Sir Roger Moore oder Kate Winslet. Aber psst.

Chic Stays”, Assouline Publishing, 264 Seiten, 50 Euro