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Noblesse Oblige

Monaco, das sind zwei Quadratkilometer randvoll gepackt mit Sonnenschein, Belle-Époque-Pracht und jeder Menge Mythos. Neuerdings ist es auch Foodie-Destination – dank trendiger Latino-Konzepte, französischer Top-Köche und dem größten Hotelweinkeller der Welt

Text: Patricia Bröhm

Wer in der „Suite Garnier“ des Hôtel des Paris logiert, hat auf der eigenen Terrasse die Sterne über sich. Foto: Monte Carlo SBM

„Ma Chère“, schrieb ein russischer Aristokrat Ende des 19. Jahrhunderts aus Monte Carlo an seine Frau, „es tut mir sehr leid, dir mitteilen zu müssen, dass ich heute Nacht unsere 200 Pferde verspielt habe.“ Manche Dinge ändern sich nie: Bis heute werden in der Spielbank hoch über dem azurblauen Meer allnächtlich Unsummen verzockt. Schade um das Geld, man hätte es rund um die Place du Casino sinnvoller ausgeben können.
Der Platz mit seiner prachtvollen Belle-Epoque-Architektur ist das Epizentrum monegassischen Lebensstils. Die Dichte an It-Bags ist atemberaubend, und vor dem Hôtel de Paris parkt schon mal ein himmelblauer Rolls Royce. Dies ist das Monaco, das die Klatschspalten lieben.
Der Society-Kalender wird jährlich von zwei Ereignissen bestimmt: Dem Grand Prix de Monaco Ende Mai, wenn die Bolliden durch die engen Straßen rasen wie ein Schwarm Hornissen auf Ecstasy. Und, zum Ende der Hochsaison, die Monaco Yacht Show Ende September, wo alleine der Eintritt 600 Euro kostet. Zwischen diesen beiden Eckdaten erstreckt sich der endlose, sorgenfreie Riviera-Sommer, dessen wichtigste playgrounds der Yachthafen und die Place du Casino sind.
Die Grimaldis wissen, was sie ihrem Publikum schuldig sind. Und so gibt es auch diese Saison wieder viel Neues. Mitten auf der Place du Casino sogar gleich im Doppelpack: Die Art-Déco-Ikone Café de Paris empfängt hier seit 1868 Gäste, nach anderthalbjähriger Renovierung erstrahlt sie in neuem Glanz. Reizvoller Kontrast: Auf dem Rooftop eröffnete zu Saisonbeginn das Amazónico, ein Ableger des erfolgreichen Konzepts aus Madrid, das sich mit seinem vom brasilianischen Regenwald inspirierten Interior Design auch in London und Dubai als Celebrity-Magnet erwies.
Doch beginnen wir den Abend im Erdgeschoss, mit einem Apéro am kreisförmigen Zinktresen unter dem riesigen Kronleuchter des Café de Paris, ganz im Stil von Frank Sinatra, Cary Grant oder David Niven, die Stammgäste waren. Dazu vielleicht ein erster Happen von der marmornen Austerntheke, die reich bestückt ist? Um sich für eine lange Nacht zu stärken, bieten sich die Klassiker des Hauses an: Zum Beispiel Seezunge Meunière, vor den Augen der Gäste filetiert und mit heißer Butter arosiert, dazu isst man comme il faut Salzkartoffeln und mit etwas Knoblauch aromatisierten Spinat. Und zum Dessert muss es das am Tisch mit Grand Marnier flambierte Crêpe Suzette sein – es wurde hier 1896 für den späteren Edward VII erfunden, der es charmant nach seiner Begleitung taufte.
Wer sich für die Partynacht im Amazónico lieber direkt vor Ort stärkt, hat zwei Stockwerke höher auf der fast 1000 m2 großen Rooftop-Terrasse die Wahl zwischen gegrillten Chicken Rolls und Guacamole mit Seeigel, zwischen Prawn Tempura und Hummerschwanz mit Kokosnuss-Gazpacho. „Ein Abend im Amazonico ist wie eine Reise“, sagt der Mixologist, der am frühen Abend noch viel Zeit für ein Schwätzchen hat, während er den ersten Espresso Martini mixt. „Eine Speedboot-Fahrt durch die Küchen Brasiliens, Kolumbiens und Perus, mit Grüßen aus Japan, China und Indien.“ Höhepunkt jedes Dinners hier aber sind die über Holzkohle gegrillten Steak-Cuts, allen voran das Picanha (Rumpsteak nach brasilianischer Art), das vor den Augen der Gäste am Tisch tranchiert wird und nur so trieft vor duftendem Fleischjus. Für Nicht-Carnivoren sind auch hawaianische Poke Bowls oder peruanische Ceviche im Angebot, dazu die Ensalada Amazónico, gespickt mit Mango und Avocado.

Später am Abend zieht man innerhalb des Lokals weiter, über eine leopardenfell-bezogene Treppe geht es in den Privatclub, wo die Bässe mit „elektropikalen“ Vibes vibrieren, der hauseigene Sound-Mix aus Elektro und Latin.
Trendige Latino-Konzepte à la Amazónico passen zum im Mini-Fürstentum seit Jahrzehnten gepflegten Jet-Set-Image. Weniger offensichtlich, aber angesichts der zahlungskräftigen Klientel aus aller Welt kaum überraschend: Monaco ist längst auch ein Gourmet-Ziel erster Güte. Nirgendwo an der Côte d’Azur findet sich so geballt große Küche wie auf den glamourösen zwei Quadratkilometern rund um den berühmten „Rocher“, den Felsen, auf dem der Fürstenpalast thront. Alain Ducasse (längst eingebürgert) begründete hier 1987 mit dem Louis XV seinen Weltruhm, mittlerweile ist ihm der Pariser Drei-Sterne-Kollege Yannick Alléno hart auf den Fersen. Der betreibt im Hôtel Hermitage nicht nur das sehr erfolgreiche Pavyllon, sondern eröffnet Anfang Juli im selben Haus auch L’Abysse, einen Ableger seines an den Champs-Elysées mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnetes Sushi-Restaurants. Rund um die Place du Casino warten weitere Must-Do-Adressen, darunter das seit März neueste Zwei-Sterne-Restaurant des Fürstentums, Christophe Cussacs Les Ambassadeurs im Hotel Métropole. Oder im achten Stockwerk des Hôtel de Paris das traditionsreiche Le Grill, eine Lieblingsadresse der Einheimischen, wo der Panoramablick übers Mittelmeer mit bester Fischküche und den legendären Soufflés (in fünf Varianten von Vanille bis Piemonteser Haselnuss) konkurriert. Highlight jedes Gourmet-Trips ins Fürstentum aber ist unbestritten das Louis XV, gleich rechts vom Eingang im Hôtel de Paris gelegen. Beim Eintreten hält man unwillkürlich die Luft an: Im Prunk des sechs Meter hohen Saals fühlt man sich, als speise man in Versailles – und wäre kaum überrascht, wenn die du Barry, letzte Mätresse des Namensgebers, am Nebentisch Platz nähme. Aber dies wäre nicht das trendverliebte Monaco, hätte der Fürstenpalast nicht längst seine besten Interior Designer geschickt, um die Brücke zur Jetzt-Zeit zu schlagen. Ein ultramoderner Lichtreif von sieben Metern Durchmesser konterkariert das opulente Deckenfresko von 1874, die Gäste nehmen Platz in ultrachicen, cremefarbenen Ledersesseln. Besonders verführerisch ist der Kontrast zwischen dem historischen Ambiente und der ausgesprochen zeitgemäßen Küche, die Ducasse und sein junger Statthalter Emmanuel Pilon auf den weißen Damast bringen. „Südfrankreich bietet einem Koch alle Möglichkeiten“, sagt Pilon, der seit vielen Jahren für Ducasse arbeitet. „Es bietet ein echtes Füllhorn der Natur, wir nutzen wo immer möglich lokale Produkte.“ Ein Privileg, wenn man vor der Haustüre kulinarische Schätze wie die Gamberoni aus San Remo hat, Inspiration für einen Ducasse-Klassiker: Die Garnelen sind so frisch, dass sie cremig am Gaumen zergehen, mariniert mit einem aus dem Corail bereiteten, ganz fein safranisierten Gelee, nussig-jodiger Kaviar wird dazu wie ein Gewürz eingesetzt. Zum Gesamtkunstwerk Louis XV trägt auch die opulente Weinkarte bei – sie wird bestückt aus dem größten Hotelweinkeller der Welt, der im 19. Jahrhundert in die Felsen unter dem Hôtel de Paris geschlagen wurde. Dort lagern mehr als 350.000 Flaschen und rund 6000 verschiedene Etiketten. Fertiggestellt im Jahr 1874 feiert dieser Traum jedes Wein-Aficionados dieses Jahr 150. bestehen.

Lohnt sich Monaco jenseits des Carré d’Or, des goldenen Vierecks rund um Casino und Hôtel de Paris? Die Antwort lautet „Oui, bien sur“, heute mehr denn je. Zum Beispiel für einen Bummel über die neue Strandpromenade von Larvotto an der Avenue Princesse Grace. Vier Privatstrände, von „La Rose des Vents“ bis „La Note Bleue“ laden zum Baden ein. Hier liegt auch das trendige Beach-Restaurant Coya, inspiriert von den Aromen Perus. Die junge Küchenchefin Victoria Vallenilla, aufgewachsen auf der karibischen Isla de Margarita, bringt mit Ceviche von der Gelbschwanzmakrele mit Kokosnuss und Ingwer oder im peruanischen Anticucho-Stil gegrillten Wagyu-Fleischspiessen die Aromen Lateinamerikas an die Côte. Darauf einen Pisco Sour!
Ganz in der Nähe kann man schon erste Blicke auf ein komplett neues Luxus-Wohnviertel werfen. Mareterra heißt das ambitionierte Landgewinnungsprojekt, wo Weltklasse-Architekten wie Renzo Piano, Tadao Ando und Sir Norman Foster ihre Vision von Monaco gestalteten. Wer das alte Monaco nochmal erleben will, bevor es ganz verschwindet, ist morgens gegen 10 Uhr auf der Marché de la Condamine richtig. Hier, an der Place des Armes im Herzen der Altstadt, sind les monegasques noch (fast) unter sich. Sie trinken rasch einen Café im Stehen an einer Bar unter den Arkaden, kaufen prallrote Tomaten, duftende Olivenpaste und silbrig schimmernden Wolfbarsch fürs Abendessen ein. Ein wenig kulinarischer Glamour hat auch hier schon Einzug gehalten: Mauro Colagreco, der weltweit gefeierte Spitzenkoch aus dem Drei-Sterne-Tempel Mirazur im nahen Menton, betreibt in der Markthalle seine Mitron Bakery mit dem wohl besten Sauerteigbrot der gesamten Côte.
Wer auch abends am liebsten bei Beach-Flair diniert, der ist im Restaurant Elsa des Monte Carlo Beach Hotel richtig. Das terrakottafarbene Haus direkt am Meer steht für Retro-Charme im Stil der 1930er Jahre, am Swimming-Pool mit seinen olympischen Ausmaßen fotografierte einst Helmut Newton Vogue-Models. Hier sitzt man mit Blick auf le grand bleu, sehr entspannt und très chic gleichzeitig. Das farbenfrohe Interieur stammt von Design-Ikone India Mahdavi, die Küchenlinie prägt seit Saisonbeginn neu Marcel Ravin, der sich im Fine-Dining-Restaurant Le Blue Bay des nahen Ferienhotels Monte Carlo Bay bereits zwei Sterne erkocht hat. Hier am Strand gibt er sich entspannter und passt sich ganz dem maritimen Umfeld an: „Ich bin auf Martinique aufgewachsen, das Meer ist mein natürliches Habitat.“ Es inspiriert Gerichte wie die Austern „Perles de Monaco“ mit Algen-Popcorn oder in Meerwasser gedämpfte Langustinen mit Risotto und Taggiasca-Oliven. Wie im Schwesterhaus ist seine Küche auch hier von französischer Eleganz und karibischer Intensität geprägt, sie passt perfekt auf die idyllische Terrasse, die direkt über dem Wasser zu schweben scheint. Für Ravin, der als kleiner Junge in der Karibik oft mit seinem Großvater hinaus zum Fischen fuhr, ist es fast wie ein Homecoming: „Seespinne, Thunfisch, St. Pierre, all die Schätze des Meeres, dazu die leichte Abendbrise vom Wasser her – das ist meine Welt.“

Monaco aufs Ganze

Hotels

Hôtel de Paris. Hotelikone von 1864 und erstes Haus am Platz, Belle-Époque Pracht direkt an der Place du Casino, alles aufwendigst restauriert. Sehen und Gesehenwerden! DZ ab 1180 Euro, Place du Casino, T. +377.98.063000, montecarlosbm.com

Monte-Carlo Bay Hotel & Resort. Modernes Resort-Hotel direkt am Meer mit vier Hektar Garten. Fünf Restaurants, großes Spa-Angebot, weitläufige Poolanlage, eigene Lagune mit Sandboden. DZ ab 405 Euro, 40, Avenue Princesse Grace, T. + 377.98.060200, montecarlosbm.com

Monte Carlo Beach Hotel. Strandhotel mit eigenem Beach Club und Meerwasser-Schwimmbad. 1930er Retro-Charme, von Top-Designerin Indira Mahdavi komplett neu erfunden. DZ ab 455 Euro, Avenue Princesse Grace, roquebrune-Cap-Martin France, T. +33.4.93286666, montecarlosbm.com

Hôtel Hermitage Monte-Carlo. Prachtvoller Belle-Epoque-Hotelpalast mit Meerblick, nur ein paar Schritte von der Place du Casino entfernt. Sehenswert: die Kuppel von Gustave Eiffel. DZ ab 890 Euro, Square Beaumarchais, T. + 377.98.064000, montecarlosbm.com

Restaurants

Le Louis XV. Das kulinarische Aushängeschild des Ducasse-Imperiums. Vollendeter Service, spektakulärer Weinkeller. Insgesamt: Weltklasse! Do – Mo abends, Hauptgerichte 130 bis 150 Euro, im Hôtel de Paris

Le Blue Bay. Küchenchef Marcel Ravin stammt aus Martinique, sein Stil mixt französische und karibische Einflüsse. Neuer Look, großzügige Terrasse mit Meerblick. Mi –Sa abends, Menü ab 195 Euro, im Hôtel Monte Carlo Bay

Les Ambassadeurs by Christophe Cussac. Von Design-Star Jacques Garcia komplett neu gestaltet; Küchenchef Christophe Cussac ist Robuchon-Schüler und steht für zeitgemäß interpretierte Haute Cuisine. Do-Mo abends, Menü ab 255 Euro, im Hôtel Métropole, 4 Avenue da la Madone, T.+377.93.151510, metropole.com

Le Grill. Verglaste Rotonde mit Rundum-Panoramablick im achten Stock des Hôtel de Paris, eine Lieblingsadresse der Einheimischen. Exzellente klassische Fischküche. Mo –So, mittags ab 90 Euro, abends ab 195 Euro

Em Sherif. Entspannte, aber sensorisch ausgefeilte Levante-Küche, große Terrasse mit Meerblick. Chefin Yasmina Hayek serviert im trendigen Sharing-stil. Mo –So abends, Menü ab 190 Euro, im Hôtel de Paris.

Pavyllon. Yannick Allénos Casual-Fine-Dining-Konzept mit lockerem Dining-Counter, schöner Terrasse und den raffinierten Kreationen des Grand Chefs. Mo –So, mittags und abends, Menü ab 150 Euro, im Hôtel Hermitage

L’Abysse. Nach dem Vorbild des Pariser Erfolgskonzepts: ein exzellenter Sushi-Master, absolute Highend-Produkte und der kreative Touch von Yannick Alléno. Im Hotel Hermitage, Eröffnung im Juli

Amazónico. Das Erfolgskonzept aus Madrid ist viel mehr als ein Restaurant: kreative Küche und Cocktails, Live-Auftritte, Privatclub und fast 1000 Quadratmeter große Terrasse. Tägl. 18 Uhr bis 2 Uhr morgens, Hauptgerichte 36-188 Euro, Place du Casino, T. +377.98.061414, amazonicorestaurant.com

Coya. Die trendige Esskultur Lateinamerikas, dazu das bilderbuchreife Mittelmeerpanorama, die eigene Pisco-Bar und exotische Beats. Mi-So, Hauptgerichte 36-128 Euro, 26 Avenue Princesse Grace, T. +377.98.06 20 20, coyarestaurant.com

Elsa. Hier ist alles azurblau – das Design von India Mahdavi und der direkte Blick aufs Wasser. Dazu entspannte Mittelmeerküche von Zwei-Sterne-Koch Marcel Ravin. Do.-So. mittags und abends, Menü ab 165 Euro, im Monte Carlo Beach Hotel

Café de Paris. Brasserie-Ikone mit eindrucksvollem Jugendstil-Ambiente, großer Bar und Meeresfrüchte-Theke, aufwändig renoviert. 200 Quadratmeterterrasse im ersten Stock. Tägl. 20 bis 3 Uhr, Hauptgerichte 37-79 Euro, T.+377.98.067623, montecarlosbm.com

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