Seite 2 Auf der „Nature“ durchs Packeis
3. Tag, Ny-Ålesund Schon in der Früh liegen wir auf Reede vor der Siedlung am 79. Breitengrad, die sich ganz der Polarforschung verschrieben hat. Auch das deutsche Alfred-Wegener-Institut ist hier vertreten. Klimaerwärmung ist am nördlichen Polarkreis das beherrschende Thema, die schmelzenden Gletscher (die derzeit noch zwei Drittel von Spitzbergen bedecken) sind ein warnendes Signal. Das Gros der Expeditionsteilnehmer jedoch findet das nördlichste Postamt der Welt spannender, wegen der exklusiven Stempel, die ihre Postkarten von hier aufgedrückt bekommen. Andere pilgern unter dem Schutz der Bärenwächter zu einem historischen Monument etwas außerhalb. Sie reizt der Ankermast, den Graf Zeppelin für Luftschiffe bauen ließ. Von hier starteten Roald Amundsen und Umberto Nobile 1926 zu ihrem Pionierflug über den Nordpol. Eine stattliche Büste des großen Polarforschers erinnert daran. Um unseren Erlebnishorizont zu steigern, werden wir anschließend per Zodiac zum Lilliehöök- Gletscher getuckert, trotz seines Volumen- Verlustes von 40 Prozent noch immer ein atemberaubender Anblick. Und dann passiert es. Der Gletscher kalbt! Mit ohrenbetäubendem Getöse stürzt ein riesiger Teil seiner Front ins Eismeer und löst einen Mini-Tsunami aus, der auch unsere Zodiacs erfasst. Die Abbruchstelle leuchtet in der Lichtsommersonne in strahlenden Blautönen. Kein gutes Zeichen, aber ein grandioses Schauspiel, zugegeben. Auf der Rückfahrt zur „Nature“ fische ich einen der blau schimmernden Eisbrocken aus dem Wasser. An Bord überreiche ich das Beutestück gleich dem Barmann: Heute Abend will ich meinen Whisky mit einem Stück Gletscher-Eis genießen, das vielleicht Jahrtausende, wenn nicht gar Jahrmillionen alt ist.
4. Tag, Albert-I-Land Wir erreichen den Magdalenenfjord im äußersten Nordwesten Spitzbergens. Aber nach welchem Herrscher ist er benannt? Wir lernen: Der frostige Landstrich trägt seinen Namen zu Ehren von Fürst Albert I. von Monaco, der ein begeisterter Forscher war und hier 1899 eine Spitzbergen-Expedition startete. Gern würden wir auf seinen Spuren wandeln – aber ein Landgang ist ausgeschlossen: Die Sonne hat sich verabschiedet, stattdessen fauchen eisige Fallwinde vom Gletscher herab. Zum Ausgleich bekommen wir auf dem bordeigenen „Nature Walk“ ein Highlight geboten: Auf einer Scholle hält ein Prachtexemplar von Eisbär Mittagsschlaf, unbeeindruckt vom Schiff und seinen aufgeregten Passagieren. Am Nachmittag entschließt sich Kapitän Natke zu einem Vorstoß Kurs Nord-Nord, um den magischen 80. Breitengrad zu erreichen. Tatsächlich hören wir bald die Durchsage: Eis voraus! Festhalten! Knirschend bohrt sich die Nase der „Nature“ in einen blitzblanken Packeisgürtel, der ganze Rumpf zittert, in der Bar der Observation Lounge klirren die Flaschen im Regal, übertönt vom Splittern der Eisbrocken, die links und rechts am Schiff vorbeidriften. So weit ist in dieser Saison noch kein anderes Expeditionsschiff durchgedrungen – und ich fühle mich wie einst Amundsen. Das Ereignis wird mit Champagner gefeiert, und später gibt es an der Bar einen eigens vom Barmann kreierten, selbstverständlich eisgekühlten Gute-Nacht-Cocktail: Er heißt „80 Grad Nord“.
5. Tag, im Treibeis Heute zeigt die Natur der „Nature“ ihre ungemütliche Seite. Die Wellen des Polarmeeres schlagen hoch, auf dem Deck greifen einige Herren sicherheitshalber nach ihren Toupets, aber das Schiff liegt ruhig, geradezu stoisch auf Kurs, der Wein in den edlen Gläsern zittert nur unmerklich. Überhaupt habe ich nicht das Gefühl, auf einem Expeditionsschiff klassischer Prägung zu sein, dazu bietet die „Nature“ vergleichsweise viel Komfort. Ich wäre ein Heuchler, würde ich das nicht genießen. Aber wie viel „Europa“ oder „Europa 2“ steckt in der „Nature“? Nun ja, das Tafelsilber ist ebenfalls von Robbe & Berking, auf die Tische der drei Restaurants kommt nur feinstes Porzellan, und die Bar ist mit raren Labels bestens bestückt. In der bedient abends der Schiffspianist Helge Herr virtuos die Tasten und entlockt ihnen mit Vorliebe Kompositionen des Nordens, Edvard Grieg etwa oder Jean Sibelius. Auch das gehört nicht unbedingt zum Alltag auf Expeditionsschiffen. Ebenso divers ist die Passagierliste. Tagsüber noch eine einträchtige Schicksalsgemeinschaft in Gummistiefeln auf der Suche nach den Wundern der Arktis, wird des Abends bei Bier und Champagner, bei Hot Dogs und Hummer leidenschaftlich über die Notwendigkeit von Luxus auf Expeditionsfahrten diskutiert. Da gibt es Gäste, die dem authentischen Expeditionserlebnis der alten „Hanseatic“ nachtrauern, die mit dem neuen Flaggschiff außer Dienst gestellt wurde, etliche Stammgäste von „MS Europa“ und „Europa 2“, die sich noch mit dem aus ihrer Sicht einfachen Bordleben arrangieren müssen, und Rookies, die weder das eine noch das andere Schiffserlebnis kennen und einfach alles grandios finden.
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