Style

Der stille Stylist

Er richtet Luxushotels, Privatwohnungen und Oldtimer ein. Tristan Auer gilt als heimlicher Star unter den Pariser Designern – und als Mann weniger Worte

Text: Patricia Engelhorn

Tristan Auer lässt sich selten blicken. Bekannt ist seine Vorliebe für Oldtimer: Hier sitzt er am Steuer eines von ihm gestalteten 1978 Ferrari Dino 308 GT4. Foto: Amaury Laparra

Mit etwas Glück werden Gäste des luxuriösen Pariser Hôtel de Crillon, die einen Transfer gebucht haben, mit dem hauseigenen Citroën DS Pallas Jahrgang 1973 vom Flughafen abgeholt. Der in dunkelgrauem „gris parisien“ schimmernde Oldtimer prunkt mit handgefertigten schlammbraunen Lederund Kaschmirsitzen, dickem Teppichboden und netten Details wie abgerundeten Armstützen und Platz für Getränke und Lektüre. Gestaltet wurde die „Déesse“ – das Sprachspiel mit DS bedeutet Göttin auf Französisch – von Tristan Auer: „Ich sehe den Wagen als Botschafter des Hotels. Dieses sehr französische Auto vermittelt den Luxus, die Opulenz und die Eleganz des Hotels, noch bevor man es erreicht.“ Tristan Auer gehört zur Top Liga der Pariser Interior Designer, doch im Gegensatz zu Kollegen wie Pierre Yves Rochon, Jacques Garcia oder India Mahdavi scheut er die Öffentlichkeit. Was man über ihn weiß, ist wenig: Er ist in Metz im Norden Frankreichs geboren und in AixenProvence aufgewachsen, besuchte in den 90erJahren die private Pariser Kunsthochschule ESAG Penninghen, die als Brutstätte für Designer und Inneneinrichter gilt. „Ich wollte unbedingt Interieurs für Menschen gestalten“, erklärt er. Der Erste, der ihn das machen lässt, ist der inzwischen verstorbene Star Designer Christian Liaigre, danach arbeitet er vier Jahre lang für Philippe Starck, von dem er sich nicht ganz einvernehmlich trennt: „Ich hatte das Glück, von Philippe Starck gefeuert zu werden“, sagt er rückblickend und nur halbwegs scherzhaft. „So musste ich beginnen, meine Vision und persönliche Projekte zu entwickeln.“ Eines der ersten war das Strandhaus von Pop Star Bryan Adams auf Mustique.

Ähnlich wortkarg ist er bezüglich seiner Kunden. Von der Wohnung mit der markanten Tapete verrät er nur ihren Standort: Paris. Foto: Amaury Laparra

2002 gründet er sein eigenes Unternehmen im Stadtteil Pigalle, einst Standort vieler jüdischer Pelzateliers und schicker Kabaretts. „Ich bin mir sicher, dass deren Energie noch immer durch die Wände meines Ateliers strömt.“ Mit Frau und Kindern bewohnt er unweit, am Fuße von Montmartre, eine Maisonette Wohnung, die er mit klaren Linien, kühn gemusterten Tapeten, ausgesuchten VintageReferenzen und neoklassischen Skulpturen eingerichtet hat. Für Wochenenden und Ferien besitzt er ein altes, nostalgisch verspieltes Landhaus in der Normandie. Tristan Auer ist für so sinnliche wie eigenwillige Einrichtungen bekannt und für eine besondere Leidenschaft für alte Autos. Voilà. Viel mehr erzählt Monsieur Auer nicht über sich selbst.

In Tristan Auers Portfolio taucht das Hôtel de Crillon gleich mehrfach auf. Als das Luxushotel an der Place de la Concorde 2012 für eine über vierjährige Renovierung schloss, wurde der damals noch kaum bekannte Designer zusammen mit Chahan Minassian, Cyril Vergniol und Karl Lagerfeld dazu auserwählt, das Interieur zu gestalten. Er übernahm einen Großteil des Erdgeschosses, versteckte den Check in Bereich in einem intimen Nebenraum mit bequemen cognacfarbenen Ledersesseln, verkleidete die Wände der Zigarrenlounge mit Papyrusblättern, hüllte den VIPAlkoven im Friseursalon mit Pfauenfedern ein und stellte einen Aston Martin Sitz aus den 1960erJahren in den Barbierladen.

In diesem Jahr, also rund ein Jahrzehnt später, steht er hinter dem Update der Hotelgastronomie: Mit dem „Nonos“ entstand ein glamouröses, zeitgeistorientiertes Restaurant mit plüschigen Texturen, zarten Softeis Farben, Marmorflächen und Messingleuchten, mit dem „Comestibles“ ein lässiges Gartenlokal im Pariser Art déco Stil und mit dem „Butterfly“ eine boudoirähnliche Patisserie mit Holzdecke, sahnefarbenen Sesseln und einer von Blumen und exotischen Vögeln bevölkerten Wandtapete. Pariser nahmen das wohlwollend zur Kenntnis – die neuen Lokale sind auch vor allem für sie gedacht.

Deutlich mehr internationale Aufmerksamkeit erregte das im Frühjahr nach gut zwei Jahren Renovierung wieder eröffnete Hotel Carlton an Cannes’ berühmter Croisette. Der Wow Effekt war groß: Was für ein Palast! Was für ein Luxus! Und dieser Stuck, diese Lüster, dieses unglaublich elegante, zeitlos moderne Mobiliar! Auch hier hatte Tristan Auer Hand angelegt und dem 1912 eröffneten Grandhotel mit seiner weltweit bekannten BelleÉpoqueFassade neuen Glanz beschert. Neben der spektakulären Lobby richtete er auch die 332 Zimmer und Suiten sowie die 37 Residenzen ein – mit sanften Pastelltönen, samtigen Stoffen und fröhlichbunten Keramikarbeiten aus Valslauris. „Die Farbpalette wird von Eukalyptusblättern bestimmt, die ich bei meinem ersten Besuch vor Ort auf dem Boden entdeckte“, erläutert der Designer. So läuft es oft bei AuerProjekten. Er folgt Erinnerungen, Empfindungen, Emotionen: „Ich bin sehr durchlässig für jedes Gefühl. Ich schaue, höre zu, träume, suche, rieche – und dann beginne ich zu skizzieren.“

Immer neu, immer anders, immer passend, Tristan Auers Ideen wiederholen sich nicht. Der Salon Chinois im Le Bains ist eines von vielen Beispielen. Foto: Guillaume Grasset

Ähnlichkeiten zwischen den beiden Hotelpalästen sind nicht zu erkennen. „Es ist unmöglich, Gemeinsamkeiten zu finden. Mein Design ist immer maßgeschneidert und im Einklang mit der Persönlichkeit des Hotels“, bestätigt Tristan Auer. Einzigartigkeit und Exklusivität kennzeichnen auch alle anderen von ihm gestalteten Orte – ob Hotels wie das Les Bains in Paris, Cotton House auf Mustique oder Island Shangri La in Hongkong, ob Restaurants, Läden oder Privatwohnungen. Es scheint unmöglich, ein von Tristan Auer gestaltetes Interieur zu erkennen, den Auer Look gibt es nicht: „Ich spiele gerne, verändere und mische Stile und verwende sie dann nie wieder.“ Dennoch lässt sich ein roter Faden in seiner Arbeit finden: Es ist die Kombination von einer sehr modernen optischen Vision und jener handwerklichen Exzellenz, die in Frankreich Tradition hat. Wer echtes französisches „savoir vivre“ sucht – bei Tristan Auer wird er es finden.

Das gilt nicht nur für Räume, sondern auch für Züge, Yachten, Oldtimer und Möbel – alles Bereiche, in denen Tristan Auer aktiv ist. „Sie gehen für mich nahtlos ineinander über, ganz natürlich und selbstverständlich“, sagt er. Seine runden Leder Poufs, seine mundgeblasenen Hängeund Standleuchten, seine bronzenen Türklinken und gemusterten Teppiche passen sowohl in mit Stuck und Spiegeln verzierte Stadtpaläste als auch in die zeitgeistorientierten Wohnungen seiner Kunden. Sie passen in die Benetti Yacht und in den Royal Scotsman Zug, deren Innenleben er gestaltete, und interessanterweise sogar – wenn auch in abgewandelter Form – in die alten Ferraris, Lamborghinis oder Fords Mustang, die Tristan Auer mit großer Begeisterung überarbeitet. „Ich mag die Eleganz dieser Skulpturen, die manchmal nicht einfach zu fahren sind, aber große Emotionen auslösen“, sagt er. „Sie retten die verloren gegangene Tradition des langsamen Reisens.“ Er selber besitzt über zehn Oldtimer und ist immer auf der Suche nach einem neuen guten alten Stück: „Sie gefallen mir alle, ich kann mich nie entscheiden.“

Momentan arbeitet er am Mandarin Oriental Savoy an Zürichs zentralem Paradeplatz. Das ehemalige Baur en Ville, das an Weihnachten 1838 vom Vorarlberger Bäckergesellen Johannes Baur als erstes Grandhotel der Stadt eröffnete, ist seit Anfang 2022 geschlossen. Nach der Grundsanierung und Neugestaltung soll es Gäste mit 44 Zimmern und 36 Suiten, einem italienischen Fine Dining Restaurant, einer Brasserie mit Bar, einer Dachterrasse und einer gelungenen Verbindung von historischen Details und zeitgenössischem Dekor empfangen. „Ich könnte das alles natürlich genau beschreiben, aber es ist viel besser, das Hotel selber zu erleben“, sagt Tristan Auer. „Man muss ein wenig dortbleiben, um zu verstehen, wie es das Lebensgefühl der Nachbarschaft reflektiert. Ich habe es nicht anders gemacht. Ich war dort, habe mich umgesehen und versucht, das, was ich gespürt habe, umzusetzen.“ Ab Anfang Februar kann man buchen, einziehen und erleben, was Tristan Auer nicht erklären möchte: sein neues Projekt, seine neue Vision, sein wieder einmal völlig unvorhersehbares und absolut einzigartiges Dekor.

tristanauer.com

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