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La Pura Vida

Wilde Naturschönheiten und nachhaltige Luxushotels: In Costa Rica
erleben Besucher „la pura vida“

Text: Kataharina Hesedenz

Der Tag ist jung, die Stimmung entrückt, die Lage unwirklich schön. Vor meinen Füßen fallen bewaldete Berghänge steil ab ins Meer. Die Villa im costa-ricanischen Hotel Kurà bietet einen Blick, für den man sonst in einen Heißluftballon steigen muss. Kurà bedeutet in der Sprache des indigenen Boruca-Volkes Jaguar und verkörpert den Lebenstraum eines einheimischen Biologen- und Architektenpaares. Alejandra Umana und Martin Wells haben das Haupthaus und acht Minimal-Chic-Glasvillen so schwebend leicht in der Wildnis platziert, dass sich ein Gefühl von Unwirklichkeit einstellt. Als jetzt auch noch zwei ausgewachsene Scharlacharas mit Regenbogenschweifen vorüberziehen, scheinen die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit zu verschwimmen. Und weil das Handy außer Griffweite liegt, gibt es auch keinen Beweis für die Begegnung. Zum Glück knabbern drei Tukane immerzu und besonders fotogen am Beerenbaum vor der Terrasse … Im Pool treibend, sehe ich Affen beim Spielen zu und handtellergroßen Morpheus-Schmetterlingen beim Flirten – und entdecke am späten Nachmittag weit unterhalb im Ozean einen einsamen Wal. Alejandra erzählt, dass Buckelwale an Costa Ricas Pazifikküste vorbeischwimmen, um sich im warmen Wasser zu paaren und Babys zur Welt zu bringen. Dieser scheint ein Nachzügler zu sein, der den Anschluss verloren hat. Die Ticos (wie die Einwohner sich selber nennen) sind stolz auf den einzigartigen Naturreichtum, über den ihr kleines Land verfügt.

Ein kleines Land mit einzigartigem Naturreichtum

ARTENVIELFALT UND LEBENSQUALITÄT SIND HIER EINZIGARTIG

Mit einer halben Million Arten tummelt sich auf einer Fläche kleiner als Bayern eine der größten Tiervielfalten der Welt. Nirgendwo sonst gibt es so viele verschiedene Mikroklimata. Das liegt auch an der geologischen Vergangenheit. Vor etwa drei Millionen Jahren schoben zwischen Nord- und Südamerika zwei tektonische Platten gegeneinander und formten eine schmale, zerklüftete Landbrücke voller Berge. Der höchste heißt Chirripó und ragt fast 4000 Meter auf. Dank der tropischen Lage zehn Grad nördlich des Äquators fanden viele der durchziehenden Tierarten in den Schluchten und Tälern ideale Bedingungen, um die letzte Eiszeit zu überstehen. Bis heute kann man hier zehn Prozent der weltweiten Schmetterlingspopulation finden sowie 112 Vulkane. Deren jüngster und aktivster, Arenal, gleicht einem düsteren Hexenkessel.

Seinen Namen verdankt dieser wundervolle Flecken Erde Christoph Kolumbus. Als der 1502 an der Karibikküste landete, konnte er sein Glück kaum fassen, als er den prächtigen Gold- und Jadeschmuck der einheimischen Frauen sah. Voreilig nannte er das Land „die reiche Küste“ – Costa Rica. In Wirklichkeit gab es für Conquistadores allerdings nichts zu holen. Der Habenichts unter den spanischen Kolonien konnte weder Edelmetall noch Bodenschätze liefern, wurde fortan in Ruhe gelassen und driftete 1821 entspannt als Teil des Generalkapitanats Guatemala in die Selbstständigkeit. Während der Rest der Welt 1948 noch mit den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs zu tun hatte, schaffte der nur 150 Kilometer breite und 500 Kilometer lange Zwergstaat sein stehendes Heer ab. Die frei gewordenen Gelder wurden und werden so erfolgreich in Schulen und Kliniken gesteckt, dass das Land heute gemeinsam mit Mexiko den höchsten Sozialstandard in Lateinamerika besitzt. Im „Happy Planet Index“ liegt es aktuell zum vierten Mal auf Platz eins.

GREEN GLAM ANDERS GEDACHT

Seit ein paar Jahren nimmt die Regierung auch das Thema Klimawandel ernster als viele andere. Mittlerweile stammen 99,98 Prozent des Stroms aus Wasserkraft, Erdwärme, Wind, Biomasse und Sonnenenergie, und mehr als 25 Prozent der Fläche sind durch Nationalparks und Reservate geschützt. Der größte von allen ist der Corcovado-Nationalpark auf der südlichen Halbinsel Osa. Dort kann man mit etwas Glück einen Jaguar in freier Wildbahn erwischen.

Auf einem fünf Kilometer langen Spaziergang durch den Regenwald zeigt mein Führer Greivin auf hohle Trompetenbäume, schirmförmige Farne und eine dicke Wanderpalme, deren Früchte wie Rastafari-Dreads an dünnen Lianen baumeln. Die Pflanzen sind so bunt wie die Papageien, die an uns vorbeifliegen, während wir eine Hängebrücke überqueren und zu einem Wasserfall hinabsteigen. Zwei Tage später treffe ich am Strand von Nosara ein, wo man tagsüber Yoga und Selbstfindungskurse macht oder surft. Während man abends im Sand sitzend, mit einem Bier in der Hand zusieht, wie die Sonne hinterm Horizont versinkt. Egal ob Pazifik oder Atlantik, es gibt in diesem Land nur schöne und noch schönere Strände.

Zeltsuiten im Nayara Tented Camp, Costa Rica
Die Zeltsuiten im Nayara Tented Camp bestehen aus 16 freistehenden Villen im afrikanischem Stil

Die besten Hotels haben sich allerdings ins Landesinnere zurückgezogen. Im Nayara Tented Camp, Mitglied bei The Leading Hotels of the World, tauche ich genüsslich in den warmen Pool auf meiner Terrasse ein, der von einer nahe gelegenen Quelle gespeist wird. Tukane und Papageien fliegen zwischen hoch aufragenden Ameisenbäumen umher, während Faultiere in den oberen Ästen ein Nickerchen machen. Von unten sehen sie aus wie große, graue Filzbälle. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass dieses üppige Areal erst vor relativ kurzer Zeit wiederbelebt wurde: Das ultraschicke Zeltcamp entstand an einem von Viehzüchtern abgeholzten Hang, der nach sorgfältiger Reforestierung mit über 20000 Büschen und Bäumen wieder zum Regenwald wurde. „Man könnte meinen, dass der Bau eines neuen Hotels die Landschaft verschandeln würde“, sagt Hotelbesitzer und Nachhaltigkeitspionier Leo Ghitis. „Doch wir haben das Gegenteil erreicht.“ Mit 16 frei stehenden Villen im afrikanischen Stil stiehlt das neue Tented Camp den nebenan liegenden Schwesterhotels, Nayara Springs und Nayara Gardens, die Show. Das Konzept eines grünen, nachhaltigen Luxus teilen jedoch alle drei. Das Wasser auf dem Nachttisch und die Pflegeprodukte im Bad werden vor Ort in wiederverwendbare Glasflaschen und schöne Keramikspender abgefüllt, Autos sind auf dem Grundstück gar nicht erst erlaubt. In geräuschlosen Golf Buggies gleiten die Gäste zu Wine Tastings, Kaffeeröst-Kursen und den drei Restaurants auf Relais&Châteaux-Level. Nayaras Fünf-Sterne-Ausstattung, die privaten Pools, edlen Weine und Gourmet-Offerten sind möglicherweise für konventionelle Öko-Krieger zu extravagant, für Reisende, die zeitgerechten grünen Luxus suchen, jedoch goldrichtig. Noch einen Biophilie-Schritt weiter geht die Origins Luxury Lodge by Mantis in Pueblo Nuevo an der nicaraguanischen Grenze. Hier findet man die Pura Vida, das reine Leben, die der weltberühmte Landesgruß propagiert. Bereits der Anblick der atemberaubend schönen Grenzlandschaft und des blau schimmernden Nicaragua-Sees baut innere Energiereserven auf. Das Design der sechs komfortablen Lodges und der in den Baumwipfeln thronenden „Villa Vertigo“ mit drei Schlafzimmern investiert viel Liebe ins Details. Nicht Klimaanlagen, sondern handgeschnitzte Holzlamellen an den Fenstern und Klappen im Dachgiebel regeln den Wärmeaustausch.

Als sich nach einer kühlen Nacht der Morgennebel zu lichten beginnt, führt mich Chefgärtner José durch wohlsortierte Gemüse- und Gewürzgärten, danach besteigen wir freundliche Pferde und reiten zu einem Wasserfall. Auf dem fotogenen Felsen, der vor dem Wasserschleier im Becken liegt, lassen sich Yogis und Yoginis gerne zum Meditieren nieder, zum Instapic-Schießen wahrscheinlich auch. Wir reiten lieber weiter. Unzählige Tierbegegnungen später heizt ein Funken sprühender Kamin den Private Pool ein, während ich auf der Terrasse Tee trinke. Mir gefällt die Idee, dass hier kein Generator, sondern überflüssiges Totholz aus dem 45 Hektar großen Hotelgelände Energie spendet. Fast noch bessere Laune machen die Schlemmerspeisen rund um die Uhr. Die Küche von Origins ist konkurrenzlos, weil der französische Hotelbesitzer Thierry Le Goascoz regelmäßig Starköche einlädt. So kommt es, dass Jean-Luc L’Hourre, Meilleur Ouvrier de France und Sternekoch, Vorspeise und Hauptgang für mich zubereitet – und Stéphane Corolleur, der Patissier von Alain Ducasse, Joël Robuchon und aktuell Michel Sarran, die Nachspeise. Das letzte Wort in Sachen Genussreise ist gesprochen, ich reise glücklich ab.

Ausritt mit Pferden der Origins Luxury Lodge by Mantis
Auf einem Ausritt mit Pferden der Origins Luxury Lodge by Mantis wird man mit spektakulären Naturschauspielen bedacht

Going Costa Rica

Weil der Verkehr auf den Straßen überproportional zugenommen hat, sind die costa-ricanischen Straßen meist überlastet. Die angenehmste und sicherste Methode der Fortbewegung bieten Kurzstreckenflüge. National fliegen die Airline SanSa sowie die private Fluggesellschaft nature air. Die Flugdauer zu landesweiten Inlandszielen liegt zwischen 25 und 50 Minuten. Wer sich trotzdem entscheidet, ein eigenes Auto zu buchen, sollte ein solides Allradfahrzeug wählen – oder, besser, einen Fahrer mit Geländewagen. Das Buchen von Shuttles oder Inlandsflügen kann sich kompliziert gestalten. Warum nicht delegieren? Etwa an die auf Südamerikareisen spezialisierte Abteilung von Designreisen in München.
Outdoor-Aktivitäten und Sport-Expeditionen organisiert der in San José ansässige Veranstalter Travel Pioneers.

Tipp: Parque nacional Marino Ballena bei Uvita wurde 1989 als sicheres Gebiet für die Migration von Buckelwalen geschaffen, daher sein Name, Ballena ist das spanische Wort für Wal. Der Nationalpark hat eine Fläche von 5160 Hektar unter Wasser und 171 Hektar festes Land. Eintritt 6 US-Dollar.
Parque nacional corcovado wurde 1975 gegründet. Hier gibt es 500 verschiedene Baum-, über 150 Orchideen-, 140 Säugetier-, 370 Vogel-, 120 Reptilien- und Amphibien- und mehr als 6000 Insektenarten. Hinzu kommen 40 Spezies von Süßwasserfischen. Insgesamt umfasst der Nationalpark eine Fläche von 42560 Hektar Land und 3354 Hektar Meer. Sein Eingang liegt 15 Kilometer von La Fortuna entfernt. Besucher fliegen am besten von San José nach Corcovado. Inlandsflüge kosten 80 bis 100 Dollar. Es ist auch möglich, einen Privatflug zur Sirena Ranger Station (mitten im Park) zu buchen oder auf dem Flughafen Palmar Sur zu landen und durch Sierpe in den Park zu gelangen. Der Nationalpark ist auch mit dem Auto erreichbar, dies aber aufgrund bisweilen misslicher Straßenverhältnisse. Ein solides Allradfahrzeug ist ein Muss.
Parque nacional volcán arenal umfasst 12124 Hektar. Er befindet sich im Nordwesten, sein Eingang liegt 15 Kilometer von Fortuna entfernt. Der Park ist das meistbesuchte Ziel im Norden, bietet verschiedene Wanderwege und Aussichts-punkte, die Natur- und Vulkanbeobachtungen ermöglichen.
visitcostarica.com


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