Travel
Text: R.G. Falkner
Sind wir im falschen Film gelandet? Hat uns eine Zeitmaschine ins 19. Jahrhundert versetzt? Das Victoria Falls Hotel am Südufer des Sambesi ist ein Stilmix aus Merry Old England und Kuriositäten-Kabinett, an den Wänden feiern historische Fotos Queen Victorias Empire. Im nostalgischen „Stanley’s Room“ schwadronieren hochbetagte Gentlemen von ihren Jagderlebnissen aus vergangenen Zeiten. Und während wir auf der Terrasse den Five o’Clock Tea genießen, verzehrt am Nebentisch eine Schar bleicher Britinnen ebenso bleiche Gurken-Sandwiches. Aber dafür sind wir nicht nach Simbabwe gekommen. Denn am Horizont steigt weißer Dunst auf: die Victoriafälle! Kurze Zeit später stehen wir vor diesem Naturereignis, überwältigt, sprachlos – und pudelnass. So ist es wohl auch dem schottischen Missionar und Afrikaforscher David Livingstone ergangen, der anno 1855 als erster Europäer die Fälle entdeckte und sie als das Schönste pries, das er „in Afrika je zu Gesicht bekam“. Und schön wild und laut ist es auch, möchte man ergänzen: Abertausende Tonnen Wasser donnern hier jede Sekunde in eine enge Schlucht hinab, türmen dabei Gischtwolken auf, hoch wie der Eiffelturm. Und nähren einen Regenwald, der seine Existenz allein dem Sprühwasser verdankt.
Während Livingstone 1873 auf der Suche nach der Quelle des Nils an der Ruhr stirbt und sein Wegbegleiter Chuma sein Herz unter einem Mvula-Baum begräbt, um den berühmtesten Ausspruch des Forschers („Mein Herz ist in Afrika“) wahr werden zu lassen, beginnen die Gleisbauarbeiten der Cape to Cairo Railway. Fertiggestellt wird sie nie, aber bis zum Sambesi dringen die Pioniere vor und hinterlassen dort für die Nachwelt ein doppeltes Erbe: das Vic Falls Hotel, ursprünglich als Unterkunft für die Eisenbahnarbeiter gedacht, und die Victoria Falls Bridge, die sich in 130 Metern Höhe dramatisch über den Sambesi spannt. Heute verbindet sie Simbabwe am Südufer mit Sambia im Norden, mitten im Unesco-Welterbe des Mosioa-Tunya-Nationalparks, der zu Afrikas größtem Naturschutzgebiet gehört.
An der „Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area“ haben außer Sambia und Simbabwe noch zwei weitere Staaten Anteil: Namibia mit seinem Caprivi Strip und Botswana mit seinem nördlichsten Punkt bei Kasane. Sie bilden damit das wohl berühmteste Vierländereck der Welt. Von da fließt der Sambesi noch 1000 Kilometer ostwärts, um schließlich in Mosambik in den Indischen Ozean zu münden. Wir dagegen wenden uns Richtung Südwesten, zu einem anderen Fluss, der, lange, bevor er das Meer erreicht, versiegt: Jedes Jahr zur Regenzeit überschwemmt der Okavango River gemeinsam mit dem Limpopo und dem Chobe River eine Fläche von 20.000 Quadratkilometern und bildet damit das größte Binnenflussdelta der Welt. Dabei beeinflusst er eine Landschaft, die, gottgegeben einzigartig und zum Staunen schön, ungleich wilder und weitläufiger als alles ist, was es sonst an Nationalparks im südlichen Afrika gibt. Es ist seine Endlosigkeit, die unglaubliche Weite, durchzogen von Tausenden kleinerer Flussläufe, Rinnsalen, Seen und Wasserlöchern, die aus der Vogelperspektive, von unserer Cessna Grand Caravan betrachtet, den feinen Adern eines Blattes gleichen, die das Delta so einzigartig machen.
Unser Standort ist ein Camp aus dem Portfolio von Wilderness, touristisches Öko-und Non-Profit-Unternehmen mit 21 Camps allein in Botswana und weiteren drei Dutzend im restlichen Afrika. Die Wahl fällt auf Vumbura Plains, ein Premier Camp im Norden des Okavango-Deltas, wo der Wasserstand zum Zeitpunkt unseres Besuches besonders hoch zu sein verspricht – Garantie für reichlich Wildlife. Vumbura ist, wie wir feststellen, ein Allinclusive-Resort. Und das bedeutet bei Wilderness tatsächlich alles inklusive: vom Early Morning Tea über sämtliche Safari Trips, Guides, die rund um die Uhr für die Besucher da sind, bis hin zum besten Wein beim Dinner.
Vorher steht allerdings ein Ausflug der besonderen Art auf dem Programm: Mit Mokoros, den rund vier Meter langen Einbäumen durch die Kanäle der überfluteten Plains zu gleiten, lautlos ohne störendes Motorengeräusch, auf Augenhöhe mit der Bilderbuchlandschaft um uns herum, ist ganz anders, als sie auf dem Hochsitz eines der komfortabel ausgestatteten Safari-Land-Cruisers zu erleben. Pointer, unser Bootsführer, stößt sein Mokoro mit einer langen Stange vom Flussbett so elegant ab wie ein Gondoliere in Venedig. „Hoppla!“: Beinahe wären wir zwei veritablen Flusspferden zu nahe gekommen, von denen nur die Augen aus dem Wasser ragen. Das hier ist eben nicht der Erlebnispark in Rust. „Das ganze Delta gehört dem Okavango Community Trust, der es an die einzelnen SafariUnternehmen verpachtet“, lernen wir später. „Das Geld, das beispielsweise Vumbura Plains beisteuert, wird an ein halbes Dutzend Dörfer verteilt.“ Der Anschauungsunterricht folgt wenig später. Ein Helikopter, im Delta übliches Transportmittel, bringt uns ins entlegene Dorf Eretsha für eine „behindthescenes“ Tour.
Abends, auf der Terrasse der stylischen Lodge, konkurriert beim Wine Tasting das dunkle Rot unseres Columella, Spitzentropfen des Edelwinzers Eben Sadie aus dem südafrikanischen Swartland, mit dem dramatischen Rot des Sonnenuntergangs über den spiegelnden Wasserflächen des Deltas – ein unbeschreibliches Glücksgefühl, das noch lange anhält.
Unsere fünftägige Reise nach Simbabwe und Botswana wurde geplant von den Afrika-Experten bei Windrose. inkl. Business-Classflüge, Übernachtungen sowie den Ausflügen zu Luft, zu Land und zu Wasser ab ca. 11.000 euro pro Person im Doppelzimmer, T. 030/201 72 10, windrose.de
Die Lufthansa-Tochter Discover Airlines fliegt als einzige Fluglinie dreimal pro Woche von Frankfurt direkt nach Victoria Falls. Ab 2384 Euro in der Business Class, discover-airlines.com