Travel

Into the Wild

Wenn die Wassermassen des Okavango in sein Delta fließen, ist Botswanas Tierwelt im Glück. Jeder, der das Spektakel miterleben darf, aber auch. Notizen einer unvergesslichen Safari

Text: Reinhard Modritz

Selbst die Weiten des Linyanti River können die Elefanten auf ihrem Marsch in Richtung Norden nicht aufhalten. Sie sind ausgezeichnete Schwimmer. Etwa 45.000 davon leben im Chobe-Nationalpark – die größte Population der Welt

Ein Grunzen hat ihn aus dem Schlaf gerissen, gefühlt direkt neben seinem Bett. Er nimmt allen Mut zusammen, rafft sich auf, um sich umzuschauen. Und entdeckt ein mächtiges Hippo friedlich im Mondlicht grasend, jenseits von Moskitonetz und Zeltwand. Recht wohl ist ihm dennoch nicht, auch wenn ein schützender Holzzaun zwischen ihm und dem Flusspferd liegt. Er erinnert sich an die Worte von Rogers, seinem persönlichen Guide, der ihm vorhin auf der Veranda einen Sundowner mixte: „Tagsüber sind es die Elefanten, die mitten durchs Camp zum Wasser des Linyanti ziehen. Und nachts die Hippos.“ Was, wenn sich zu dem gerade sehr vernehmlich Gras fressenden Koloss vor seinem Zelt ein zweiter gesellte oder gar mehrere? Zelt ist die Untertreibung des Jahres, findet er. Das Duma Tau Camp an den Ufern des Flusses, der diesem Grenzgebiet zu Namibia seinen Namen gibt, wäre ein perfektes Filmset, findet er. Unruhig läuft er im großen Living Room auf und ab, umkreist das riesige Bett (in dem auch ein Hippo ausreichend Platz fände) mit seinem Moskitonetz und entscheidet sich dann für einen Platz auf seiner Veranda. An Schlaf ist ohnehin nicht mehr zu denken. Also lauscht er dem Geräusch-Teppich, der sich über die Nacht im afrikanischen Busch legt. Bis Rogers ihn, pünktlich um halb sechs, zum Early Morning Game Drive abholt. Rogers verbringt die meiste Zeit des Tages mit dem ihm anvertrauten Gast, ist Guide, Spurenleser und wandelndes Nachschlagewerk auf einmal. Als der Junge aus Maun nach einem naturkundlichen Studium praktische Erfahrungen sammeln sollte, sei seine Wahl schnell auf Wilderness Safaris gefallen. „Wer dort einmal als Guide gearbeitet hat, dem stehen alle Camps des Landes offen.“

Duma Tau Camp

Zur Ausbildung gehöre auch die Praxis als Barmann und als Kellner. Damit er auf Fragen nach dem passenden Wein Antwort geben könne. Und zum Sonnenuntergang irgendwo im Busch einen ordentlichen Sundowner mixen. Rogers lernte in der Werkstatt des Camps, wie man einen Land Rover repariert. Und wie man ein Mokoro steuert, die schlanken Einbäume der Stämme im Okavango-Delta. So einen einbaum würde er auch gerne mal durch die schmalen Kanäle lenken. Aber vorher muss er unbedingt noch die Ebenen links und rechts des Linyanti erkunden. Duma Tau bedeutet in der Landessprache zwar „Löwengebrüll“, aber das riesige Gebiet im Nordosten von Botswana ist vielmehr berühmt für seine Elefanten. Hier und im benachbarten Chobe-Reservat sind weltweit die meisten ihrer Art zu Hause – geschätzte 45.000. Der Linyanti trennt Botswana zwar von seinem nördlichen Nachbarn Namibia, die Elefantenherden kann der breite Fluss aber nicht von ihren Wanderungen über die von Menschen gezogenen Grenzen abhalten. „Elefanten sind ausgezeichnete Schwimmer“, hat Rogers erzählt. Jetzt sitzen die beiden in seinem Boot, nicht viel größer als eine Nussschale, kein Lüftchen kräuselt das Wasser. Und sehen aus sicherer Entfernung zu, wie eine Elefantenfamilie nach der anderen im wahrsten Sinn des Wortes baden geht. „Stille Wasser sind eben tief“, flüstert er. Mittendrin strampelt ein Baby, es kann kaum mehr als ein paar Jahre alt sein. Immer wieder ragt nur mehr die Spitze seines Rüssels aus dem Wasser. Dann endlich fasst es Fuß im weichen Ufergrund – ein herzerwärmender Anblick. Mit ein paar Schweizern, die ebenfalls vom Afrika-Virus befallen sind, sitzt er abends ums Feuer, das fleißige Hände immer wieder schüren. Die Boma hat Tradition im südlichen Afrika. In Duma Tau ist die große Feuerschüssel Zentrum einer Plattform, die im Linyanti floatet – eine der vielen guten Ideen, mit denen das alte Camp im vergangenen Jahr nicht nur upgegradet, sondern an nahezu gleicher Stelle komplett neu gebaut wurde, größer, eleganter, schicker.

Weil das alte Camp den gestiegenen Ansprüchen der Gäste kaum mehr genügte, wurde Duma Tau an gleicher Stelle komplett neu gestaltet. Jetzt gibt es sogar einen Infinity-Pool, der weit in den Fluss hineinragt

Aus gutem Grund zählt Duma Tau als Premier Camp nun zu den besten unter den knapp zwei Dutzend Camps von Wilderness Safaris in Botswana. Es bekam einen Infinity-Pool, der tief in die Lagune hineinragt, ein kleines, bestens ausgestattetes Gym und ein Spa. Hier klopft die resolute Tebby seine Muskeln weich, die nach vier morgendlichen Stunden Buschfahrten steif geworden sind.
Ein Kudu-Steak, zart wie Butter, ist heute sein Dinner auf der Terrasse über dem Fluss. Ganz wohl ist ihm nicht dabei, hat er diese Antilopen doch eben erst in freier Wildbahn bewundert. Doch Rogers kann ihn beruhigen. Kudus werden hierzulande in Farmen gezüchtet wie Kühe in der Heimat des Gastes.
Die kleine einmotorige der Wilderness Air startet am nächsten Tag in die südöstlichen Ausläufer des Okavango-Deltas. Über die weiten Ebenen unter ihm ziehen Büffel, grasen Herden von Zebras und ein halbes Dutzend Antilopenarten friedlich nebeneinander. Dann glänzen die ersten Wasserläufe und Seen wie Silber im Sonnenlicht und kündigen das grandiose Naturschauspiel an, das es nur in Botswana gibt. „Delta Airlines“, schießt es ihm durch den Kopf, als sich die Cessna Grand Caravan im Wasser spiegelt.

Chitabe Camp

Chitabe bedeutet in der Landessprache Setswana zwar „Wo die Zebras hausen“, die heimlichen Stars aber sind die seltenen und vom Aussterben bedrohten Afrikanischen Wildhunde. Dave Hamman, Besitzer des von Wilderness Safaris geführten Camps, hat sich kompromisslos ihrem Schutz verschrieben. Deshalb ziert auch ein Wildhund den Land Rover, der ihn jetzt ins berühmte Moremi-Wildreservat karrt, dessen Fläche ein Drittel des gesamten Deltas ausmacht. Auf der Pirschfahrt stören sie eine Löwenfamilie beim Nachmittagsschläfchen, spüren einen Leoparden auf, der seine Beute, ein Impala, auf einen Baum vor allzu gefräßigen Neidern in Sicherheit gebracht hatte, und werden von einer Horde Paviane mit ohrenbetäubendem Lärm empfangen. Aber die scheuen Wildhunde lassen sich nicht blicken. Schade. Aber für einen solchen Fall hat Dave Hamman vorgesorgt. Allenthalben zieren die grandiosen Fotos wirklich, stellt er erstaunt fest. Dafür empfindet er das wesentlich schlichtere Chitabe als besonders authentisch. Erinnerungen blitzen auf an seine ersten Safaris vor vierzig Jahren mit Zelt und einem alten Land Rover, die trotz schmalem Geldbeutel zu seinen schönsten Erinnerungen gehören. Damals hatte er sein Herz ans südliche Afrika verloren. Daran muss er jetzt denken. Er nimmt einen kräftigen Schluck aus seinem Gin Tonic – gegen die Mücken – und lässt seinen Blick über die Weiten des Moremi Reserve schweifen. Was er sieht, zaubert ein Lächeln auf sein Gesicht. Verdammt schön hier, denkt er.

Kein Besuch des Deltas ohne eine Tour mit dem Mokoro, dem Einbaum der Stämme des Okavango. Lucius heißt sein Gondoliere der Sümpfe, er manövriert den wackeligen Kahn elegant durch die schmalen Kanäle zwischen hohem Schilf und einem Meer von Seerosen. Alles wirkt so unendlich friedlich und still, nur gelegentliches Vogelgezwitscher erfüllt die Luft. Bis aus dem Schilf ein Krokodil die Idylle durchbricht. Unwillkürlich zieht er die Arme eng an seinen Körper. Und spürt, wie Lucius hinter ihm ein Grinsen nicht verbergen kann. Touristen!

Jao Camp

Wie ein überdimensionales Adlernest klammert sich das Haupthaus des Jao Camps, der letzten Station seiner Reise, an die Baumkronen zweier mächtiger Mongongo-Riesen; schon von Weitem ein beeindruckender Anblick. Oben angekommen, verschlägt es ihm erst mal die Sprache – und das liegt nicht nur am Empfangskomitee in Form der überaus hübschen Camp-Managerin mit dem nicht minder hübschen Namen Charity. Jao präsentiert sich als ein skulpturales Wunderwerk aus Stahl, Holz und Glas, Räume hoch wie eine Kathedrale, die das Licht und die Geräusche des Deltas einfangen. „Ist das jetzt Botswanas schönstes Camp?“, schießt es ihm durch den Kopf. Die Antwort kommt spätestens, als er seine Zelt-Suite betritt. Wo hat er so viel Stil, solch stimmiges Ambiente schon mal gesehen? Richtig, auf der Seychellen-Insel North Island war’s, die lange Jahre ebenfalls zum Portfolio von Wilderness Safaris gehörte. Der Architekt damals wie heute, Silvio Rech, berühmt für seinen unnachahmlichen Mix aus bahnbrechendem Design und der Verwendung von natürlichen und recycelten Materialien. Einen Augenblick überlegt er: „Ist das noch das wahre Afrika bei so viel ihn umgebenden Luxus? Aber dann fällt sein Blick auf die grasenden Büffel unter seiner Zelt-Suite, die Impalas und die Tsessebe- Antilopen, auf eine Giraffe in der Ferne. Ein unbeschreibliches Glückgefühl durchströmt ihn. Ja, das ist sein Afrika. Zu Hause angekommen, packt er seine Erinnerungsstücke aus: die Wasserflasche aus Duma Tau, die Fotografie, die ihm Dave Hamman aus dem Chitabe Camp verehrt hat, und das Wilderness-Crew- Shirt, das ihm Charity zum Abschied mitgegeben hat. Das erste Mal seit seiner aufregenden Safari schläft er sofort ein. Und träumt von schwimmenden Elefanten.

Into the Wild

Duma Tau
Premier Camp von Wilderness Safaris. Spektakuläre Lage am Linyanti River an der Grenze zu Namibia, acht Zelte in Duma Tau, vier Zelte in Little Duma Tau, schwimmende Plattform im Fluss.

ChiTabe
Classic Camp auf einer Insel in Pfahlbauweise, acht geräumige Zelte im Meru-Stil, das gesamte Camp wurde auf erhöhten Plattformen gebaut, Tor zum berühmten Moreni-Reservat.

Jao
Stilvolle Luxus-Lodge für Ästheten und Design-Liebhaber im 60.000 Hektar Jao Reserve. Fokus auf Nachhaltigkeit. Fünf super-luxuriöse Zelt-Suiten mit großer Veranda und Plunge Pool in luftiger Höhe, zwei Two-Bedroom Villas mit privatem Koch, Butler und persönlichem Guide.

Wilderness Safaris

enquiry@wilderness.co.za
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Die hier beschriebene Fly-in-Safari (6 Tage, jeweils 2 Nächte in Duma Tau, Chitabe und Jao, Flüge ab/ bis Maun und von Camp zu Camp, inklusive Buschfahrten und Vollpension) bietet der Herrschinger Tour Operator Trauminsel Reisen ab 8.650 euro pro Person an. Alternativ 3 Tage pro Camp ab 12.600 Euro.
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