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Mobilmachmung am Comer See

Der Ruhm der ehrwürdigen Villa d’Este wird (auch) von fossilem Kraftstoff angetrieben. Auf dem Wasser selbst aber deuten erste edle Ansätze auf Elektromobilität

Text: Reinhard Modritz und Michael Hannwacker

Am Concorso d´Eleganza, dem wohl exklusivsten Schönheitswettbewerb für mobile Schätze, rangeln sich die schönsten Classic Cars vor der Kulisse des Comer Sees um die begehrte Coppa d´Oro. Das Schauspiel findet in der Villa d´Este statt, dem wohl elegantesten Palasthotel am See

Alljährlich, und dies schon seit 1929, dröhnt, schnurrt und blubbert es am Comer See, ein ganzes Wochenende lang. Dann sorgen die begehrenswertesten und wertvollsten Oldtimer diesseits und jenseits des Atlantiks für ein Konzert, das selbst ausgewiesene Autoagnostiker animiert. In diesem Jahr müssen sich, der Pandemie geschuldet, die Klassik-Fans bis Oktober gedulden, und es könnte sein, dass die Herbstsonne und ihre Reflexionen im See die automobilen Preziosen in ein noch schöneres Licht tauchen.
Aber selbst wenn es, was Petrus verhüten möge, in Strömen regnen sollte, gibt es keinen besseren Ort für das grandiose Schauspiel des Concorso d’Eleganza als die Villa d’Este, das wohl eleganteste Palasthotel am See. Seit 1873 die ehemalige Kardinals-Residenz in ein Grandhotel umgewandelt wurde, reist eine exklusive Klientel erst per Kutsche, später mit eigenem Wagen an. Darunter seit jeher die aufsehenerregendsten Cabrios, seltensten Karossen und spektakulärsten Sonderanfertigungen.
Es lag also nahe, die schönsten – und in den ersten Jahrzehnten die innovativsten – Exemplare mit einem Preis zu krönen, der Coppa d’Oro. Der Mythos Concorso d’Eleganza war geboren. Seit sich der Fokus der Veranstaltung auf Oldtimer verschob und vor 20 Jahren ein bedeutender Münchner Autokonzern als Mitveranstalter einstieg, hat sich der Concours zum wohl exklusivsten Schönheitswettbewerb für automobile Schätze entwickelt.

Beim Defilée der funkelnden, liebevoll aufgeputzten Oldtimer versammeln sich im Park der Villa d´Este schnell mal ein paar Hundert Millionen Euro

Die mindestens so exklusive Gästeschar ooht und aaht also über besterhaltene Wunder aus Chrom. Und die beinahe erotischen Formen der historischen Alfa Romeos, Aston Martins, Bugattis, Ferraris, Rolls-Royces oder Zagatos. Sie berauschen sich am Anblick von verwegenen Formen aus Blech. Und sinnieren über die Geschichte jedes Fahrzeugs. Aber es liegt nicht nur an den liebevoll aufgeputzten Raritäten, die den Erfolg des Concorso ausmachen, es ist vor allem die traumhafte Kulisse der Villa d’Este. Und certo, die Straßen um den Comer See, auf denen die automobilen Wunderwerke während des Wochenendes Corso fahren, sind hinreißend und die Aussicht auf den Lago begeisternd – sofern man sich angesichts der teils engen, oft kurvigen Asphaltbahnen ein Auge darauf erlauben kann.

Macht es dann nicht mehr Sinn, die Sicht auf das Naturschauspiel – viele cognoscenti feiern den Lago als schönsten der Welt – vom Wasser aus zu genießen? Schon die öffentliche Linienschifffahrt ist bezaubernd. Vor allem möchte man planschen in diesen so atemberaubend umrahmten Wellen. Leider ist das Wasser des aus den Alpen gespeisten Sees oft ein bisschen zu frisch. Die Villa d’Este leistet sich deshalb eine erlebenswerte Extravaganz: einen türkis leuchtenden, im See schwimmenden Pool. Rundum mit Eichenholz beplankt und mit Kann-ich-hier-für immer-bleiben-Liegen möbliert, schaukelt er zwischen dem vornehm blassgelben Edificio del Cardinale und dem pompejanisch roten Padiglione della Regina auf den Wellen, mal stärker, wenn die Navigazione Lago di Como eines ihrer Schiffe vorbeischickt, mal kaum spürbar, wenn die elektrisch angetriebene vaporina der Cantiere Ernesto Riva am Steg der Villa anlegt.

Die wohl schönsten Elektroboote am See entstehen in der Riva Werft, die von Daniele Riva in achter Generation geführt wird

Chef dieser Werft ist Daniele Riva, achte Generation einer ehrwürdigen Bootsbauerdynastie. Bekanntlich war vor bald 180 Jahren Ur-Ur-Großonkel Pietro Riva der Liebe wegen an den Lago d’Iseo gewechselt und hatte dort eine Werkstatt gegründet, in der später die berühmten Rennboote entstanden. Die Ursprungswerft aber steht, seit einem geschlagenen Vierteljahrtausend, immer noch am Ufer in Laglio. Und hier baut Daniele Riva, in der Tradition seiner Ahnen, maßgeschneiderte Boote in handwerklicher Meisterschaft und bahnbrechender Technologie. Denn wie als Hommage an Alessandro Volta, dem im nahen Como geborenen und zeitlebens wirkenden Erfinder der elektrischen Batterie, beziehen Danieles Schöpfungen ihre Energie nicht aus Benzin, sondern umweltschonendem Strom.

Vom berühmten Yachtdesigner Germán Mani Frers molto elegante gezeichnet, aus dem leichten, zertifizierten Holz der Oregonzeder eher gebastelt als gezimmert, mit Mahagoni furniert, in glühendem Rotbraun lackiert und von in der Schweiz konstruierten Batterien auf maximal 27 Knoten angetrieben, gleitet die siebensitzige „Ernesto“ also selbstbewusst und ohne jeden CO2-Ausstoß auf dem Lago und zieht Blicke des Begehrens auf sich. Für sein Boot hat Daniele bereits, aus der Hand des Regenten eines kleinen Fürstentums an Frankreichs blauer Küste, den Nachhaltigkeitspreis der Union Internationale Motonautique kassiert.

Für den Tag nach unserem Besuch hatte sich ein gewisser, mit einer britischen Anwältin verheirateter US-Schauspieler, der ein paar Meter südlich eine schmucke Villa besitzt, in der Werft angekündigt. Die Vermutung liegt nicht fern, dass er sich in das Auftragsbuch von Daniele Riva eintragen hat, der im Jahr „sieben bis acht Boote“ schafft. Und für das erwähnte Wochenende im Oktober hat der Chef von BMW eine Runde mit Danieles Boot bereits fest gebucht. Im Wettbewerb der Eleganz schwimmt die „Ernesto“ also schon ganz oben mit.

Fünf Fragen an Danilo Zucchetti (Managing Director der Villa d´Este):

Welches Auto repräsentiert Ihr Haus am besten? Natürlich der Alfa Romeo 6C 2500 „Villa d’Este“, der seinen Namen bekam, als er 1949 den Concorso d’Eleganza gewonnen hatte. Leider ist er nur 36-mal gebaut worden. Wenn es einmal ein Exemplar auf eine Auktion schafft, geht er kaum unter 750 000 Euro weg. Wir sind stolz, eines bei uns in der Garage zu haben.
Von allen Oldtimern, die Sie bei all den Wettbewerben in der Villa d‘Este erlebt haben – welcher hat auf Sie den nachhaltigsten Eindruck gemacht? Der Bugatti Type 57 Coupé Atlantic von 1938, mit dem Ralph Lauren vor acht Jahren beim Concorso d’Eleganza triumphierte. Ein wundervolles Auto. Allerdings auch ein sehr teures. Angeblich ist es 27 Millionen Dollar wert.
Der Concorso d’Eleganza war mal ein Wettbewerb der eindrucksvollsten Neuentwicklungen. Jetzt konkurrieren die schönsten Oldtimer. Was erzählt uns das über den Zustand der Autoindustrie? Vor allem, dass Autos immer gleichförmiger geworden sind. Und die Entwicklung elektrisch angetriebener Autos ist noch nicht so weit. Dennoch überlegen wir, eine Kategorie für interessante E-Auto-Konzepte aufzustellen. Wir warten noch auf ästhetisch interessante Entwürfe. Sie erleben viel Prominenz in Ihrem Hotel.
Bei wem wären Sie gern mal Beifahrer gewesen? Darf ich in die Historie zurückgehen? Dann denke ich an Marcello Mastroianni. Oder Gary Cooper. Der kam mit seinem Jaguar aus London und wollte eine Nacht in der Villa d’Este Station machen. Er blieb drei Wochen.
Und was hören Sie, wenn Sie allein unterwegs sind? Italienische Melodien wie Giorgio Gabers „Torpedo Blu“: Vengo a prenderti stasera / Sulla mia torpedo blu / L’automobile sportive / Che mi dà un tono di gioventù – ist das nicht wunderbar? Das Auto aus dem Song, ein Fiat 520 Torpedo von 1930, war übrigens vor zwei Jahren auf dem Concorso dabei. Allerdings nicht in Blau …

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