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Frankreichs neuer Koch

Er gilt als neues Wunderkind der französischen Spitzenküche und Darling der Pariser Modeszene. Er modelt für Ralph Lauren und kocht für Louis Vuitton: Mory Sacko ist das gut gelaunte Gesicht des neuen Frankreich

Text: Patrizia Bröhm

Mory Sacko ist Frankreichs neues Wunderkind der Küche.
Mory Sacko ist Frankreichs neues Wunderkind der Küche. Foto: Virginie Garnier

Man musste schon ausgemachter Optimist sein, um im Corona-Jahr 2020 ein Restaurant zu eröffnen. Mory Sacko ist einer. Im Frühjahr, während des ersten Lockdowns, war er durch die Koch-Show „Top Chef“ frankreichweit bekannt geworden. So hatte er mit schlaksiger Eleganz und breitem Lächeln die Herzen der Zuschauer erobert. Im Herbst eröffnete er dann auch schon sein eigenes Restaurant „MoSuke“ in Paris, zwei Monate vor dem nächsten Lockdown.

Doch die wenigen Wochen hatten genügt, um dem jungen Talent hymnische Besprechungen in den wichtigsten Tageszeitungen zu sichern – und einen Michelin-Stern, der Anfang 2021 verliehen wurde. „Ich war völlig perplex“, sagt der heute 30-Jährige. Von da an geht es nur noch bergauf für den Sohn von Einwanderern aus Mali. Das Restaurant-Ranking „La Liste“ ruft ihn als eines der weltweit fünf größten Talente aus, das „Time“- Magazin benennt ihn, in einer Reihe mit Greta Thunberg und der Blockbuster-Heldin Tessa Thompson, zum „next generation leader“ aus. Als der Sender France 3 ihm dann eine eigene Fernsehshow anträgt, bekommt Sacko Zweifel: Wird das TV-Publikum einen Zwei-Meter-Mann mit afrikanischen Wurzeln und Dreadlocks als Host akzeptieren? Er macht sich auf einen Shitstorm gefasst. Stattdessen wird das Format, in dem er die Rezepte und Spezialitäten von Frankreichs Regionen erkundet, mit bis zu 1,6 Millionen Zuschauern ein Riesenerfolg.

Mory Sacko´s kleines Restaurant "MoSuke" in Montparnasse ist bewusst puristisch gehalten.
Das kleine Restaurant MoSuke in Montparnasse ist bewusst puristitisch gehalten. Foto: Virginie Garnier

„Es ist ein Zeichen, dass sich die Dinge in Frankreich ändern“, träumt Sacko. Sein kleines Restaurant in Montparnasse wird in kürzester Zeit nicht nur zu einem Symbol für die neue Offenheit der französischen Küche, sondern auch zum Hoffnungsträger für junge Menschen aus den Banlieues. Viele schreiben ihm Briefe. „Früher wollten dort, wo ich herkomme, alle Fußballer oder Popstar werden“, sagt er. „Heute träumen sie von einer Karriere als Chef.“ Das macht ihn stolz: „Ich hatte nie den Plan, ein Role Model zu werden. Aber genau das ist passiert.“ Sein Küchenstil? Ein sehr persönlicher Mix aus französischen, afrikanischen und japanischen Einflüssen.

Mittelpunkt MoSuke: Wo Afrika auf Frankreich trifft

Im „MoSuke“, dessen lichter Gastraum in Weiß und hellem Bambusholz gehalten ist, werden Gerichte serviert, die man so nirgendwo anders bekommt. Dazu gehören bretonische Seezunge, im Bananenblatt auf den Punkt gegart und mit der japanischen Würzmischung Togarashi aromatisiert. Dazu wird Attiéké, fermentierter Maniok, wie man ihn an der Elfenbeinküste isst, serviert. Und als Dessert folgt marinierte Ananas mit Hibiskus-Sorbet und kandiertem Shiso-Blatt. Für Mory Sacko, der im Pariser Westen aufwuchs, bedeutet die Küche Afrikas Heimat. So versammelte sich in seiner Kindheit etwa jeden Abend die Familie rund um den Tisch. Seine Mutter, eine begeisterte Köchin, servierte daraufhin ihre scharf gewürzten Gerichte: „Wir waren neun Geschwister zuhause, das Abendessen war immer eine große Party.“

Es sind die Zutaten und Einflüsse aus Mali und dem Senegal, wo seine Mutter aufwuchs, die seine eigene Küche heute so unverwechselbar machen. Kochbananen, Maniok-Wurzeln oder Akpi-Nüsse aus Kamerun, die nach Schokolade duften, kauft er im 18. Arrondissement, wo Paris beinahe aussieht wie Dakar oder Bamako. Und wenn er mit einem afrikanischen Rezept nicht weiterkommt, ruft er einfach seine Mutter an.

Japanische Bezüge

Der Name „MoSuke“ steht allerdings nicht nur für Afrika, sondern auch für Japan als Inspiration der Küche. Zum Beispiel bei gegrilltem Hummer mit fermentierter Paprika, Tomate und Miso. Dessen Umami-Power gibt ein spannungsreiches Spiel mit der delikaten Süße des Krustentiers und der feinen Säure der Peperoni ab. Tatsächlich kombiniert „MoSuke“ seinen Namen mit „Yasuke“ – so hieß ein afrikanischer Sklave, der im Japan des 16. Jahrhunderts als „schwarzer Samurai“ zur Legende wurde und dessen Leben Stoff einer Netflix-Serie war.

Die Teller im MoSuke sind alle hochästhetisch angerichtet. Wie hier geräucherter Aal, mit Sepiatinte gefärbte Pasta.
Die Teller im MoSuke sind alle hochästhetisch angerichtet. Wie hier geräucherter Aal und mit Sepiatinte gefärbte Pasta. Foto: Quentin Tourbez

Inspiriert von der Küche seiner Mutter und TV-Dokumentationen über französische Palasthotels, schreibt er sich mit 15 Jahren an der Hotelfachschule ein. Erst dort entdeckt er die kulinarische Welt jenseits von Poulet Yassa (mit Zitrone und Zwiebeln) oder Boeuf Mafé (mit Erdnusssauce). Ganz fasziniert von der großen französischen Küchentradition, betont er: „Ich hatte keine Großmutter, die Boeuf bourguignon kochte, für mich war das eine ganz neue Dimension.“ Heute zieren einige der besten Pariser Adressen seinen Lebenslauf, vom Royal Monceau (bei Nobu Matsuhisa) über das Shangri-La bis zum Mandarin Oriental, wo er in Spitzenkoch und Japan-Liebhaber Thierry Marx seinen Mentor findet.

Mory Sacko in der Küche beim Anrichten
„Ich bin ein Franzose des 21. Jahrhunderts. Frankreich sieht heute auch ein Stück weit so aus wie ich“, so Mory Sacko, Jahrgang 1992. Foto: Chris Saunders

Rasante Karriere Richtung Kocholymp

Schnell steigt er in der Hierarchie auf. Als er sich bei „Top Chef“ bewirbt, ist er Marx’ Souschef. Schon damals träumt Mory Sacko vom eigenen Restaurant in Paris. Heute führt er nicht nur das „MoSuke“, sondern unter dem Label „MoSugo“ auch zwei trendige Fastfood-Konzepte , weitere sind in Planung. Für Aufsehen sorgte im Sommer 2022 das Pop-up „Mory Sacko at Louis Vuitton“ in St. Tropez. So entdeckte auch die Pariser Modeszene den coolen Chef gleich von Anfang an für sich. Bald modelte Mory Sacko für Ralph Lauren und caterte für Emmanuel Macron. Die Dependance an der Côte d’Azur ergab sich aus einer Zusammenarbeit mit Louis Vuitton. Thunfisch in Bissap- Vinaigrette mit geräucherter Paprika oder geröstete Seebrasse im Bananenblatt mit Kokosnuss schmeckten auch der It-Crowd an der Riviera. Die Fans hoffen darauf, dass das stylish inszenierte Lokal im Hotel White 1921 diesen Sommer wieder aufpoppt.

Wovon träumt einer, der scheinbar alles erreicht hat? „Irgendwann möchte ich ein Restaurant in Afrika eröffnen, vielleicht an der Elfenbeinküste oder im Senegal.“ Vorläufig aber ist er vor allem auf eines nämlich stolz. Denn er hat bewiesen, dass man auch als Kind der Vorstadt mit afrikanischen Rezepten einen Stern erkochen kann.

MoSuke, Rue Raymond Losserand, 75014 Paris, T. 0033.1.43 20 21 39, mosuke-restaurant.com

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