Text: Katharina Hesedenz
Traumverlorenheit und Rosenduft liegen in der Luft. Möglicherweise ist es auch der Esprit von Catherine Deneuve, die mehr als 35 Jahre hier, in der Domaine de Primard, lebte. In den oberen Stockwerken des filmschönen Herrenhauses aus dem 17. Jahrhundert säumen stilvolle Gemächer die Flure. Darunter liegt das ehemalige Schlafzimmer von Madame, mit Paradeblick auf den Fluß Eure, der hoheitsvoll am Fuß der Schlossmauern vorbeifließt. Dazu gesellt sich ein Schlosspark voller fantastisch getrimmter Hecken und von Blumen gesäumter Rasenflächen. All dies wurde vom belgischen Gartenarchitekten Jacques Wirtz gestaltet, dem auch der Pariser Élysée-Palast vertraut. Bienvenue in der Domaine de Primard. Dem neuesten Refugium in einer Reihe Domaines deluxe.
Erst kürzlich haben zwei Privatunternehmer das ehemalige Anwesen der Deneuve in eine Oase für Stadtflüchtlinge verwandelt. Die Ära, in der orangefarbene Teppiche die Wände des Wohnzimmers schmückten, ist vorüber. Die quietschbunte Couture-Kollektion von Yves Saint Laurent wurde bei Christie’s versteigert. Heute sind alle Räume voller Antiquitäten und den Arbeiten aufstrebender junger Künstler – in matte Petrol-, Grün- oder Pfirsichtöne getaucht. Es gibt Tapeten von Pierre Frey, Accessoires von Maison Sarah Lavoine und Porzellanleuchten der italienischen Künstlerin Paola Paronetto. Eine Prozession von Gipsschnecken belebt den Treppenaufgang des Herrenhauses, Holzpilze die Gemeinschaftsräume.
Auf einem 100 Hektar großen Areal verteilen sich die 39 Zimmer und Suiten der Domaine auf vier Gebäude. Die Betten sind extrem behaglich und die frei stehenden Wannen in XXL-Badezimmern gewähren den Blick auf lebendiges Grün. Die Atmosphäre ist relaxed, doch niemals langweilig. Gäste schlendern durch den Park, rekeln in Liegestühlen am Fluss, streicheln Ponys und Esel und entspannen im beheizten Pool. Oder trinken Tee im ehemaligem Gewächshaus der Diva oder lassen sich im Susanne-Kaufmann-Spa verwöhnen.
Vor allem aber speisen sie exquisit. Denn den Hotelbesitzern Frédéric Biousse, 52, und Guillaume Foucher, 45, ist es gelungen, den von Alain Ducasse protegierten Drei-Sterne-Koch Romain Meder zu holen. Direkt aus dem Pariser Plaza Athénee nach Primard. Ihr Lockmittel? Ein persönlicher Gemüsegarten. Umgeben von Beeten und Rabatten, lebt er nun den Traum, eine lebendige Haute Cuisine zu realisieren, die den Planeten respektiert.
Denn das gute Leben auf dem Land und die Einbeziehung von Natur sind das Hauptanliegen der jetzigen Besitzer. Schon ihr erstes Hotel, die Domaine de Fontenille, verfügt über ein Sternerestaurant und einen Bilderbuchpark. Tatsächlich hatten sie vor allem die jahrhundertealten Zedern und Platanen zum Kauf des 1648 erbauten Anwesens im Luberon verführt. „Wir waren schon immer in Bäume verliebt“, gestehen Foucher und Biousse. Und als sich herausstellte, dass es zu groß für nur zwei Bewohner war, deuteten sie die Domaine kurzerhand in ein Resort um.
Guillaume Foucher, der zuvor in der Kunstwelt zu Hause war – ihm gehörte bis 2019 die Pariser Galerie Particulière –, fungiert gewissermaßen als Artdirector der schnell wachsenden Gruppe. Biousse hingegen, Sohn eines Generals und einer Pianistin, fungiert als Unternehmer. Der zurückhaltende, dunkel bebrillte Mann hatte mit der Entwicklung Pariser Highstreet-Labels wie Comptoir des Cotonniers, Sandro oder Sessùn ein Vermögen gemacht. Heute berät er Fashion- und Beauty-Start-ups, doch seine erfolgreichste Gründung dürfte die 2015 geborene Marke Les Domaines de Fontenille, benannt nach der ersten Domaine, sein.
Im Fast-forward-Modus entstanden, unter anderem, eine Bastide mit Mittelmeerblick nahe Marseilles, eine Luxus-Surflodge an der Grenze zum Baskenland. Dann wieder eine von Olivenhainen umgebene Residenz in Radda di Chianti und aktuell eine Villa in Saint-Rémy-de- Provence, die Foucher „der Leichtigkeit wegen“ ausschließlich mit Outdoor- Möbeln einrichtete. Das Portfolio des Duos umfasst derzeit acht Häuser in Frankreich, Italien und auf Menorca; drei weitere Eröffnungen folgen noch in diesem Jahr. „Früher haben wir Kunst gesammelt, heute sammeln wir Hotels“, begründen sie lächelnd. Ihre Triebkraft beschreiben sie sehr konkret. Nämlich als Amalgam aus „einer ausgeprägten Vorliebe für Architektur und einzigartige Orte, große Räume und exquisite Gärten, Großzügigkeit und Lächeln statt pompösem und spießigem Service“.
Biousse und Focher denken aber nicht nur leidenschaftlich, sondern auch wirtschaftlich. Deshalb streben sie konsequent Selbstversorgung und die Symbiose zwischen Hotel und Terroir an. So produziert ihr Weinberg im Luberon statt ursprünglich 4000 mittlerweile 300 000 Flaschen pro Jahr. Selbst ihre Olivenhaine in der Toskana generieren Öl für ihre Restaurants. Ihre Aromapflanzenfelder auf Menorca liefern ätherische Öle, die für die eigene Beauty-Linie genutzt wird. „Fontenille ist eine echte Gemeinschaft“, resümiert das Duo.
„Wir finden Bling-Bling und allzu Klassisches langweilig – und mögen Überraschung, Emotionen und Authentizität. Wir lieben, was wir tun, denn wir schaffen gute Dinge. Natürlich ist es anstrengend, zurzeit drei Baustellen gleichzeitig zu betreuen. Doch das macht den Unterschied zwischen Instagram und dem wahren Leben aus.“