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Ist das Florida? Oder schon das Paradies?

Über ein Jahrhundert lang galt die 10 000-Einwohner- Gemeinde als Alterswohnsitz für Amerikas Plutokratie. Jetzt wird Palm Beach als Hamptons des Südens gehandelt.
Warum nur?

Text: Charlotte Mann

Der Clock Tower ist ein beliebtes Selfie Motiv Foto: Oetker Collection

Happy Hour am Pool des Colony Hotel. Dass es noch früher Nachmittag ist, scheint hier niemanden zu stören. Junge Kellner, die aussehen wie in Hollywood gecastet, mixen „Pink Paradise“-Cocktails und servieren sie einem Publikum, das sich auf erbsengrünen Liegestühlen drapiert hat. Unter einer dicht bewachsenen Pergola auf der Terrasse weiter hinten sitzen die letzten Mittagsgäste und lassen sich Fettuccine mit Spargel und eisgekühltem Rosé schmecken. Schlanke Palmen wiegen sich in einer lauen Sommerbrise, der Himmel strahlt in fast unverschämtem Blau.

Florida at its best: sonnig und warm, wenn es anderswo noch fast Winter ist, unbekümmert und ausgelassen, trotz Krisen, Kriegen und dem nebenan in Mar-a-Lago irrlichternden Trump. Wohlgemerkt: Die Rede ist hier nicht vom legendären Art-déco-Hotel Colony im immer partyfreudigen Miami Beach. Wir sind in Palm Beach, dem gut 100 Kilometer weiter nördlich gelegenen Badeort, der lange als Rentnerparadies mit großartigem Strand und jeder Menge Golf galt. Seit der Ölmagnat Henry Morrison Flagler im späten 19. Jahrhundert diese einst von Alligatoren verseuchte Sumpflandschaft in ein tropisches Paradies mit eleganten Luxushotels verwandelte, ist Palm Beach auch ein Synonym für Geld, Prominenz – und Skandale.

„Life it better at the Beach“, fand Flagler, der auch Erbauer der Florida East Coast Railway war, der Bahnstrecke, die Palm Beach den Reichen an Amerikas Ostküste näherbrachte. Für sie eröffnete er 1894 das Royal Poinciana Hotel, ein sechsstöckiger, in pompösem Stil errichteter Prachtbau. Von anfangs 540 Zimmern wurde er ziemlich schnell auf fast 1100 Zimmer vergrößert; um die insgesamt fast fünf Kilometer Flure zu bewältigen, fuhren die Hotelangestellten auf Fahrrädern herum. Schon zwei Jahre später schuf Flagler das längst in The Breakers umgetaufte Palm Beach Inn, bis heute die Grande Dame der hiesigen Hotellerie. Sie empfing die gesamte Hollywood-Prominenz von Cary Grant und John Wayne über Rita Hayworth bis zu Clark Gable und Errol Flynn, dazu diverse Rockefellers, Vanderbilts und Astors. Dank Flagler wurde der Ort schließlich so berühmt, dass sich sogar die Kennedys ein Herrenhaus am Meer zulegten, in dem Präsident John F. Kennedy mit Familie die Wintermonate verbrachte.

Das White Elephant ist eines der neuen Hotels, die eine gut betuchte, aber stylishe Klient anspricht Foto: Chi-Thien Nguyen/ Elkus Manfredi Architects

Doch die guten alten Zeiten gingen vorbei, und Palm Beach wurde unglamourös, bieder und langweilig. Jahrzehntelang setzte niemand, der jung und trendy war, freiwillig einen Fuß hierher. Dann geschah, was schon vorher auf der anderen Seite der USA in Palm Springs geschehen war: Die Stadt wurde cool. „Die Covid-Pandemie hat einer Entwicklung, die schon vorher in der Luft lag, Aufwind beschert“, sagt Sarah Wetenhall, eine waschechte Palm Beacherin, die 2016 zusammen mit ihrem Mann das bald 80 Jahre alte Colony Hotel gekauft und renoviert hat. „Jeder, der schon mal daran gedacht hatte, hierherzuziehen, kam.“

Auf einmal lebten junge, urbane New Yorker in der Stadt, die ihre krea- tiven Berufe ebenso gut unter Palmen ausüben konnten und sich über großzügige Platzverhältnisse und niedrige Steuern freuten. Und wer sich in Los Angeles nur eine Bruchbude leisten konnte, mietete einen hübschen Strandbungalow in West Palm Beach. Was fehlte, kam dazu: lässige Bars, gute Kunstgalerien und zeitgeistorientierte Läden, die noch mehr Hipsters aus den Großstädten anlocken.

„Seitdem wir das Hotel übernommen haben, ist das Durchschnittsalter unserer Gäste um mehrere Jahrzehnte gesunken“, erzählt Sarah Wetenhall. Das blieb nicht unbemerkt. Andere Hotels begannen ebenfalls, zu renovieren und sich dem Zeitgeist anzupassen – wobei der Retro-Look und die typische, stets leicht kitschige Palm-Beach-Ästhetik bewusst erhalten blieben: Pastellfarbene Fassaden, schwarz geflieste Badezimmer, Flamingos, Muschel- und Dschungelmotive auf Textilien und Wänden, Korbmöbel und Topfpflanzen prägen bis heute das Ambiente, werden allerdings gerne mit einem schelmischen Augenzwinkern eingesetzt.

So auch im Vineta Hotel, dem ersten Haus der Oetker Collection in den USA, das noch in diesem Jahr in den komplett renovierten Räumen des ehemaligen The Chesterfield eröffnen soll. Interior Designer Tino Zervudachi setzt auf genau jene frischen und hellen Farben, die dem Lifestyle Palm Beachs entsprechen, und wird auch dem zauberhaften Innenhof, der früheren „Leopard Lounge“, ein neues Gesellschaftsleben bescheren. „Wir freuen uns darauf, unsere Gastfreundschaft auch an diesen wunderbaren Ort zu bringen“, sagt Timo Grünert, CEO der Oetker Collection, „viele unserer treuen Stammgäste sind oft und gerne in Palm Beach.“

Die Namen an der Nobel-Shopping-Meile Worth Avenue lesen sich wie ein Who’s who der Luxuslabels Foto: Hannah Lindahl / Unsplash

Natürlich haben die 160 Golfplätze in Palm Beach und Umgebung immer noch ihr Publikum, doch die echten Attraktionen sind jetzt andere. Shopping, zum Beispiel. „In den letzten drei bis vier Jahren ist die Anzahl der hochpreisigen Brands in Palm Beach rasant in die Höhe geschossen“, sagt Joanna Gong von Sotheby’s Luxury & Lifestyle Division. Die Namen an der Nobel- Shopping-Meile Worth Avenue oder im exklusiven Boca Town Center lesen sich wie das Who’s who der Luxuslabel-Welt: Hermès, Bulgari, Tiffany – you name it. Doch es gibt auch anderes – Dinge, die nicht überall zu finden sind. Kemble Interiors zum Beispiel, ein charmanter, efeubewachsener Laden, der erst kürzlich von der Designerin Celerie Kemble und ihrer Mutter Mimi McMakin eröffnet wurde, bietet alles, was dem Palm-Beach-Flair entspricht:

farbenfrohe Tuniken, hübsche Muschelvasen, luftiges Rattanmobiliar und die als Top-Attraktion von Palm Beach inzwischen berühmten Ananas-Leuchten des Mutter-Tochter-Teams. Bei Leta Austin Foster gibt es zauberhafte Kinderbekleidung, bei Lindroth Design mit in sonnigen Farben bedruckter Tischwäsche und bei Kassatly’s feinstes Kaschmir und edle Pyjamas. Kunstfreunde pilgern ins Norton Museum of Art, das jüngst von Stararchitekt Sir Norman Foster für 100 Millionen Dollar erweitert wurde. Es punktet mit über 8200 Werken vorwiegend amerikanischer Künstler, darunter Big Names wie Edward Hopper, Georgia O’Keeffe und Jackson Pollock, sowie einem neuen Skulpturengarten mit Objekten von Keith Haring, Fernand Léger und Ugo Rondinone. Aber auch das elegante „The Restaurant at The Norton“ lockt die Leute mit Spicy Tuna Bomb, Wild Mushroom Tart und Norton Burger ins Museum. Fans von zeitgenössischer Kunst pilgern zu den Arbeiten junger, angesagter Künstler aus Los Angeles in der Gavlak Gallery, kulturell interessierte Menschen in die Society of The Four Arts, einer Non-Profit-Wohltätigkeitsorganisation, die Kunstausstellungen, Konzerte, Filme, Vorträge und Workshops organisiert.

Als Top-Attraktion gelten jedoch damals wie heute „the beaches“: gut 75 Kilometer Strand auf einer vorgelagerten Insel zwischen Jupiter Beach und Boca Raton. Zu den beliebtesten Abschnitten zählen Carlin Park Beach mit seinem Spiel- und Sport-Park im Hintergrund, Lake Worth Beach mit einem rund 300 Meter langen Pier und der über zehn Kilometer lange und weitgehend unberührte Strand der Halbinsel Singer Island.

Doch Palm Beach ist kein Ort für endlose Strandtage – dafür wird zu viel anderes geboten. Locals und Insider sind schön frühmorgens am Meer, joggen, schwimmen und faulenzen ein paar Stunden. Dann gehen sie wieder. Sie wissen: Lunchtime ist eine ernst zu nehmende Angelegenheit in Palm Beach, zu der man sich den besten Platz am besten Pool sichern sollte. Zum Essen, aber vor allem, weil schon bald darauf eine wunderbare, partylaunige und grenzenlos entspannte Happy Hour beginnt.

Where to stay

Colony Hotel Das Kulthotel bespielt eines der ersten „Hochhäuser” in Palm Beach. Mit nur 90 Zimmern auf sieben Etagen verströmt es schönstes Vintage-Boutique-Hotel-Ambiente in den klassischen Florida-Farben Aqua, Zitronengelb, Azaleenrosa und Golfplatzgrün. Der Hotelpool und das Restaurant gelten derzeit als the place to be.

DZ ab 539 Dollar, thecolonypalmbeach.com

Eau Palm Beach Resort & Spa Wunderschönes Anwesen mit üppigem, tropischem Gärten und sehr entspannter Atmosphäre an einem Privatstrand. Glamouröser Look in den öffentlichen Räumen, 309 Zimmer und Suiten in heiterem Blau, Weiß und Zitronengelb, Weltklasse-Spa und tolle Küche.

DZ ab 559 Dollar, eaupalmbeach.com

White Elephant Der Außenposten des gleichnamigen Hotels in Nantucket bietet echtes Palm-Beach-Flair mit jedem Luxus: geräumige und schön gestaltete Zimmer, prächtiger Pool und ein Restaurant mit dem besten Sushi der Stadt.

DZ ab 525 Dollar, whiteelephantpalmbeach.com

Four Seasons Resort Palm Beach Die 207-Zimmer/ Suiten-Anlage direkt am Strand verbindet maritime Eleganz mit ortstypischem Retro-Glamour. Als Highlights gelten das italie- nische Restaurant „Florie’s” und das preisgekrönte Spa. Breites Angebot an Aktivitäten; der Service ist fantastisch.

DZ ab 595 Dollar, fourseasons.com/palmbeach

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